Gast im Weltraum
gestockt hatte: Mein Gesicht war es gewesen.
Abschied von der Erde
All das, was ich in der Nacht vor der Begegnung mit Anna unternahm, war ein bißchen verrückt.
Nach dem Lauf erlebte ich alles wie im Traum. Ich sah die Menschenmenge, das schweißbedeckte Gesicht Mehillas, der mich umarmte, ich spürte Händedrücke, kräftiges Händeschütteln, hörte die begeisterten Hochrufe; aber es war, als ob all das mich nichts anging. Dann saß ich hoch oben auf der Tribüne und blickte hinab auf das Stadion. Was dort geschah, kam mir nicht zum Bewußtsein. Gegen Abend umringte mich eine Gruppe enthusiastischer Studenten. Sie flogen zurück nach Asien. Ich bin mir heute noch nicht ganz klar darüber, weshalb ich mich auf einmal mit ihnen zusammen in der Rakete befand. Vielleicht hatte ich selbst vorgeschlagen, sie zu begleiten. Ich führte mit ihnen ein langes, verworrenes Gespräch, beantwortete fünf Fragen auf einmal. Dabei gab es viel Lärm und Gelächter. Die Rakete landete, startete wieder, die Reisenden wechselten. Und immer stand ich im Mittelpunkt des Interesses. Endlich bemerkte ich, daß nur noch vier Personen in der Kabine waren. Nun erst kam ich zu mir, als wäre ich eben aus einem wirren Traum erwacht. Die Lautsprecher meldeten die bevorstehende Landung, die Rakete senkte sich zur Erde hinab. Wir waren auf der kleinen sibirischen Zwischenlandestelle Kalete. Ich war einigermaßen verwirrt und verlegen, denn ich wußte wahrhaftig nicht, weshalb ich mich in diesen Winkel der Erde hatte entführen lassen. Ich stieg aus und stand mit einem jungen Kosmodromisten, den ich während des Fluges kennengelernt hatte, allein auf dem Landeplatz. Er blickte auf die Uhr, umarmte mich, erzählte mir rasch, daß er anderntags nach dem Phobos fliege und sich noch von einem Freund verabschieden wolle, der in der Nähe wohne – und fort war er. Das letzte Wort, das ich hörte, bevor er verschwand, war „auf Wiedersehen“. Ich war nun ganz allein, unentschlossen, was ich auf dieser entlegenen Station anfangen sollte.
Rings dehnten sich dunstverhangene Felder in der stillen Dämmerung des Sommerabends, die erfüllt war vom Duft feuchter Blätter. Es hatte gerade aufgehört zu regnen, die Nacht brach an. Und nun unternahm ich etwas, was man als unbegründet, unvernünftig bezeichnen muß. Ich wollte keine Nacht um mich haben. Nicht, daß ich sie etwa gefürchtet hätte – ich wollte ganz einfach kein Dunkel sehen. Ich gab diesem unlogischen Trieb nach und fuhr zum Untergrundbahnhof, wo sich die Haltestelle der Vakuumzüge befand.
Einige Minuten lang ging ich auf dem leeren Bahnsteig hin und her, mein Blick glitt gedankenlos über die glänzenden Platten der Wand- und Gleisverkleidung, in denen sich meine Gestalt undeutlich spiegelte. Ich schob die Hand in die Jackentasche und fühlte etwas Steifes, das leise knisterte. Es war ein Zweig von meinem Siegerkranz.
Da kam auch schon ein Zug mit tiefem, durchdringendem Zischen aus dem Tunnel. Die stählernen Seitenwände blitzten, Bremsen knirschten, er hielt. Zwanzig Sekunden später fuhr ich wieder nach Westen, der Sonne nach, die kurz zuvor hinter dem Horizont verschwunden war. Der Waggon schaukelte unmerklich, der Zug fuhr immer schneller und schließlich überstieg seine Geschwindigkeit die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde. Ich hatte ein Abteil für mich allein. Ich schaltete den Radioapparat ein, hörte die letzten Worte der Abendnachrichten und vernahm die ersten majestätischen Akkorde der Abschiedssymphonie von Kreskata. Was haben sie nur immer mit dem Abschied? Ich schüttelte mich und schaltete das Gerät aus.
Der Expreß schaukelte und vibrierte nicht mehr, er raste mit voller Kraft vorwärts. Plötzlich stieg das Gleis zur Erdoberfläche auf. Hinter den Fenstern wurde es hell, ein lebhaftes Leuchten umflutete mich. Ich hatte den nach Westen entweichenden Tag eingeholt. In der Stille, die mich umgab, nachdem ich das Radio ausgeschaltet hatte, klangen um so lauter die ersten vier langsamen, fanfarenähnlichen Töne der Symphonie in mir nach. Ich stand auf und ging zwischen den Sesseln hin und her. In den perlgrauen Augen des Wandinformators blitzten Buchstaben auf, formten sich zu den Namen der nächsten Stationen. Dann wurde es wieder dunkel, die Deckenleuchten flammten auf: Der Zug hatte die Westküste Europas erreicht, sauste in die Tiefe des Tunnels und raste unter dem Atlantik der Küste Grönlands zu.
Als die ersten vertrauten Stationsnamen im Informator
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