Gast im Weltraum
die Kontroll- und Sanitätsfahrzeuge begleiten.
Bekanntlich siegt im Marathonlauf nicht der Läufer, der auf der ersten Hälfte der Strecke führt. Bis zum zehnten Kilometer hielten sich die Wettkämpfer in dichten, geschlossenen Gruppen. Alles wickelte sich ungefähr so ab, wie ich vermutet hatte. Bald bildete sich eine Spitzengruppe von ungefähr achtzehn Läufern, und der Abstand zwischen ihnen und den anderen wurde immer größer.
Ich lief als einer der letzten in der Spitzengruppe und bemühte mich, außer den drei bereits erwähnten Läufern von unserer Hochschule auch Jatfar und Jelesch aus anderen Lehranstalten im Auge zu behalten. Jaffar war hager, weißhäutig und ähnelte in seinem Körperbau Mehilla, aber er war nicht so sehnig. Jelesch war untersetzt und dunkel; er lief wie eine Maschine und bewegte gleichmäßig seine Ellbogen. Seine geschlossene Silhouette war wie eine zu einem Knoten geschürzte Warnung. Ich beschloß, mich zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Kilometer an diese fünf zu hängen und von den anderen zu lösen.
Ich dachte an mein Training in den Dünen am Meer. Gewöhnlich war ich in praller Sonne gelaufen, die mir durch die weiße Mütze Schädel und Haare zu versengen schien. Ich hatte während des Laufens nie etwas getrunken, trotzdem rann mir der salzige Schweiß immer reichlicher über das Gesicht und in die Augen. Unaufhörlich hatte ich mich angespornt. Auf den ebenen Strecken war ich verhältnismäßig langsam gelaufen, aber wenn der Weg anstieg, dann beschleunigte ich das Tempo, als wäre ich nur darauf bedacht gewesen, meinen Körper soviel wie möglich zu quälen.
Dieses Training verlieh mir zwar keine größere Schnelligkeit, dafür aber Härte und Ausdauer, die, wie sich zeigte, an diesem kritischen Tage sehr notwendig war. Die Meteotechniker hatten, wie gewöhnlich, alles wohl berechnet; sie hätten gut gezielt, aber schlecht getroffen. Bis elf Uhr, das heißt bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Kilometermarke neunzehn passierten, glitten dicke, hochgetürmte Wolken über den Himmel. Als aber die langgezogene Reihe der Läufer zum Strand abbog, wo es nicht die Spur von Schatten gab, lichteten sich die Wolken. Ich war noch immer der letzte oder vorletzte in der Spitzengruppe. Wenn man den schlechten Schlaf in der Nacht vor dem Start in Betracht zog, dann fühlte ich mich gar nicht so übel. Trotzdem hatte ich manchmal den Eindruck, daß meine Beine einen dichteren Stoff als die Luft durchschnitten. Ich bemühte mich, möglichst lange und leichte Schritte zu machen. Herz und Lunge arbeiteten ausgezeichnet. Die ganze Umgebung schwankte im automatischen Rhythmus des Laufes, meine Pulsschläge waren gleichmäßig, nicht beschleunigt, nur hallten sie immer lauter im Kopf wider. Ich atmete tief durch die Nase und hielt das Taschentuch zwischen den Zähnen.
Als die letzte Wolke hinter dem Horizont verschwunden war, überflutete uns die Sonne mit der ganzen Kraft ihrer senkrechten, mittäglichen Strahlen. Bereits fünf Minuten später kam es in der Spitzengruppe zu einem dramatischen Wechsel. Als erster fiel Jelesch zurück. Seine gedrungene Gestalt schien gegen den Strom der Wettkämpfer zurückzuweichen, die sich an ihm vorüberschoben. Als er sich hinter mir befand, verlor ich ihn rasch aus den Augen. Ich konzentrierte nun meine Aufmerksamkeit auf El Tuni, Gerhard und Jaffar. Schlank und prächtig gebaut, mit der breiten, scheinbar flachen, aber dafür um so geräumigeren Brust des echten Langstreckenläufers, führte Jaffar über die nächsten acht Kilometer. Er behauptete seinen Platz. An gewissen Zeichen, die ebenso schwer erfaßbar wie offenkundig waren, erkannte ich, daß ihm die Führung immer größere Mühe bereitete. Er verzichtete auf jede Ökonomie der Kräfte, und das war der Anfang vom Ende. Ich sah nur sein zitronengelbes Hemd. Auf einmal schien es zu zögern, dann blieb es unrettbar zurück und wurde von den anderen Spitzenläufem, die ihr Tempo beibehielten, überholt.
Die Sonne setzte uns immer mehr zu. Ich spürte, wie sie auf meinen nackten Schultern und Schenkeln brannte. Aber die fast unerträgliche Hitze erfüllte mich mit neuer Hoffnung. Ich wußte: Das, was für mich schlecht war, mußte für die anderen noch schlimmer sein.
Die Bahn führte nun an einigen Dünen vorüber und stieg dann in einem Bogen zur letzten, höchsten Düne an. Hier setzte ich im blendenden Widerschein des weißglühenden Sandes, bei einer Hitze, die die Luft über ihm
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