Gast im Weltraum
der Sternenwelt geprüft und für richtig befunden wurden, in das Leben der Menschen selbst eingreifen und es bestimmen. Wir sollten jünger als die gleichaltrigen Erdbewohner zurückkehren, da in den kleinsten Molekülen all dessen, was die Gea durch den Raum trug – der Menschen, Pflanzen und Gegenstände –, die Zeit langsamer als bisher fortschreiten würde. Die Folgen dieser Erscheinung waren unabsehbar, wenn Weltraumreisen zu einer alltäglichen Sache wurden.
An all das dachte ich am Flugplatz, der in einer grasbedeckten Talmulde zwischen Birken und Erlenbüschen lag. Die Rakete der Gea, eines jener kleinen, komischen Raumschiffchen, erwartete mich bereits. Wenn sie landen, dann breiten sie bereits in der Luft ihre drei Flossen aus, um auf ihnen senkrecht aufzusetzen. Sie stehen dann da wie altertümliche Amphoren, mit einem langen Hals, der in einen spitzen Schnabel ausläuft.
Ich hatte den Abschied von den Menschen, Landschaften und Dingen, die mir lieb waren, hinter mir, fühlte mich leicht und unbeschwert und war innerlich ruhig und bereit, den Weg ins Unbekannte anzutreten. Nur ganz tief in meinem Innern glomm ein Funken von Erregung. Trotzdem schob ich den Augenblick des Abfluges noch hinaus. Ich blickte aus dem langen Schlagschatten der Rakete zu einer Fichtengruppe hinüber, die sich dunkelblau gegen das scheidende Licht des Himmels abhob. Ringsum war nur die reglose, warme Stille des Tages, an dem der Frühling unmerklich in den Sommer übergeht. Ein paar Blumen neigten sonnenmüde ihre Köpfe. Ein Vogel zwitscherte und verstummte gleich wieder, als hätte ihn die eigene Stimme erschreckt. Am liebsten hätte ich das alles mit einer Bewegung beiseite geschoben, wie ein Schwimmer, der sich vom Ufer abstößt. Unmittelbar vor meiner Fußspitze blühten einige violette Blümchen, deren Namen ich nicht kannte. Ich bückte mich, um sie zu pflücken, richtete mich aber mit leeren Händen wieder auf. Wozu? Sie würden bald verwelken. Ich wollte sie lieber so in Erinnerung behalten, wie ich sie gesehen hatte. Dann stieg ich langsam die Stufen hinauf. In der Kabinentür wandte ich mich noch einmal um. Die Fichten ragten schlank und unbeweglich zum Himmel hinauf. Ihr dunkles Blau wurde an zahllosen Stellen von dem flammenden Rot des scheidenden Tages durchbrochen.
Ich wollte lächeln, mir lag viel daran, aber ich vermochte es nicht. Die eigene Reglosigkeit erfüllte mich, je länger sie währte, unmerklich mit einer Schwere, die mir unbegreiflich war.
„Wir können starten“, sagte ich mechanisch, tonlos, neigte den Kopf, als ich durch die Kabinentür trat, und setzte mich.
„Starten“, echote der Roboterpilot, der meinen Befehl wiederholte.
Die Rakete erzitterte leicht, dann schoß sie in die Höhe. Durch die runden Luken blickte ich auf die Erde, die rasch unter mir entschwand. In der Kabine wurde es heller. Die Sonne ging an diesem Tage noch einmal für mich auf und stieg majestätisch immer höher. Doch das prächtige Schauspiel dauerte nicht lange. Das Blau des Himmels verblaßte, wurde aschgrau, dunkel und schließlich schwärzer. Die ersten Sterne erschienen. Ich wollte sie jetzt nicht sehen, legte den Kopf auf die Hände, die auf der Rücklehne des leeren Sitzes vor mir ruhten. Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß. Ein Signal schreckte mich aus meinem Sinnen. Ich hob den Kopf.
Tief unter mir strahlte die Sonne, eine blendende Kugel in einer Aureole zerfaserter Flammen. Vor uns tauchten im Sternengewimmel bunte Lichterketten auf, die immer größer wurden. Das waren die Leuchtbojen, die in Spiralen die Gea umgaben. Sie bezeichneten die Flugrichtung für die Lastraketen und die kleinen Raumschiffe, die, wie das meine, in Schwärmen die Gea umkreisten. Wir kreuzten eine Zeitlang über ihr. Anscheinend war der Flugplatz überfüllt. Endlich kam durch Funk die Aufforderung zu landen.
Mein Schiffchen zog die vorschriftsmäßigen Schleifen. Plötzlich blendete mich ein silbriges Aufblitzen. Das Licht unserer Scheinwerfer wurde vom Panzer der Gea zurückgeworfen. Sie hing scheinbar unbeweglich im Raum und schwoll vor meinen Augen zu einem riesigen Ballon aus reinstem Silber an; dann wurde ihr Glanz schwächer und erlosch schließlich. Wir glitten an ihrer Flanke dahin. Der ein Kilometer lange Rumpf wuchs so rasch, daß er bald den ganzen Himmel verdeckte. Ich spürte einen leichten Stoß, kurz umgab mich Dunkel, dann flammten wieder Lichter auf. Es waren bereits die Lichter der Gea.
Kaum war
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