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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erhebt, den Ingenieur Yrjöla, den jungen Rudelik und eine fremde Frau. Ich wollte gerade an ihnen vorübergehen, als das warnende Pfeifen ertönte. Die Gea sollte in Kürze ihre tägliche Beschleunigungsdosis erhalten. Die Zeit reichte nicht mehr, um bis zum nächsten Fahrstuhl zu gelangen. Ich blieb also bei ihnen stehen. Sie wechselten, wie mir schien, einen verlegenen Blick. Bevor aber ein Wort der Erklärung gefallen war, schalteten die Automaten die Triebwerke ein. Nichts änderte sich. Wenn ich nicht gewußt hätte, daß die Motoren jetzt arbeiten – denn kein Laut verriet es –, dann wäre ich überzeugt gewesen, plötzlich müde geworden zu sein. Die Lichter im Gang, die bereits auf die blaue Nachtbeleuchtung umgeschaltet worden waren, brannten ruhig, nur der Körper wurde etwas schwerer. Die drei waren an den äußersten Knick des Winkels getreten. Sie beugten sich über eine aus der Panzerung ragende, schwach geneigte massive Platte, die Verlängerung einer der riesigen Spanten des Schiffskörpers.
    Verwundert stellte ich fest, daß Yrjöla eine Zigarette rauchte. Ich hatte ihn bisher niemals mit einer Zigarette im Mund gesehen. Auf einmal beugte er sich noch tiefer über die Platte und streute eine dünne Schicht Zigarettenasche darauf. Dieses sonderbare Spiel dauerte eine ganze Weile. Dann starrten alle drei gebannt auf die Platte. Unwillkürlich beugte auch ich mich vor, um etwas zu erkennen. Die Aschenstäubchen blieben nicht unbeweglich liegen, sondern ordneten sich langsam und träge zu einer Figur. Einige Sekunden lang betrachtete ich verständnislos die Linien, dann kam mir plötzlich die Erleuchtung. Die Asche bildete parallele Bogen, deren Zentrum sich hinter der Schutzwand, in der Atomzentrale, zu befinden schien. Die arbeitenden Motoren verursachten anscheinend eine Erschütterung, die zu schwach war, als daß man sie spürte. Die Schutzwand übertrug dieses Zittern auf die Aschenschicht. Die Teilchen sammelten sich an den unbewegten Stellen, das heißt an den Knoten, die durch die stehenden Wellen gebildet wurden.
    Die drei verständigten sich durch einen Blick. Yrjöla notierte etwas, die Frau schloß den Deckel eines Gerätes auf einem Dreifuß, den sie aufgestellt hatte. Kurz darauf verkündete ein dumpfes, erleichtertes Aufseufzen der Leitungen, daß die Triebwerke wieder abgeschaltet worden waren.
    „Was macht ihr denn da?“ fragte ich.
    Yrjöla blickte mich an und kniff die Augen zu. „Vor allem bitte ich dich zu schweigen, Doktor.“
    „Was, ich soll mit niemandem darüber reden?“ wunderte ich mich. „Ich verspreche es. Könnt ihr mir nun sagen, was das ist?“
    „Schwingungen“, antwortete Yrjöla kurz. Rudelik sah uns nicht an. Er rieb sich mit den Fingern das unrasierte Kinn. Er schien nachdenklich, ja besorgt zu sein. Nur die fremde Frau war ganz ruhig, beinahe teilnahmslos, und schaute in den langen Gang.
    „Das habe ich begriffen“, entgegnete ich. „Bedeutet das etwas Schlimmes?“
    „Wenn schlimm das ist, was wir nicht vorausgesehen haben, dann ist es schlimm“, sagte Yrjöla. Aus seinem Gesicht war der schalkhafte Zug verschwunden. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, offenbar hatte er lange nicht geschlafen.
    „Na schön, aber was ist es?“
    Yrjöla zuckte mit den Schultern. „Die Belastung der Triebwerke ist stets die gleiche“, erklärte er. „Bei niedrigen Geschwindigkeiten sind die Schwingungen nicht aufgetreten, erst ab…“
    „Sechzigtausend Kilometer in der Sekunde“, warf Rudelik ein und sah uns an, als wäre er eben aus tiefem Nachdenken aufgewacht.
    „Was ist es also?“ fragte ich noch einmal, ein wenig ratlos, als ahnte ich bereits die Antwort. Die Situation fing an, sonderbar zu werden. Wir standen, auf drei Seiten vom Metallmassiv der Schutzwand umgeben, in einem der entlegensten Winkel des riesigen Schiffes, das durch das Dunkel raste. Tiefste Stille herrschte. Die Lichter erhellten ohne das geringste Flimmern den menschenleeren Gang, der so lang war, daß die Lampen an seinem Ende zu einem blauen Streifen verschmolzen.
    „Ich weiß es nicht…“, antwortete Rudelik endlich. „Wir haben diese Erscheinung nicht vorhergesehen, denn sie ergibt sich nicht aus der Theorie. Also…“
    „…ist die Theorie falsch“, ergänzte die Frau. Ihre Stimme verriet große Müdigkeit.
    „Jaaa“, sagte Yrjöla gedehnt und setzte sich auf die geneigte Platte. „Vielleicht ergeben sich bei der Kettenreaktion Maxima und Minima der

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