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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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lautete: Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ( BStU ). Dieser Bandwurmname konnte sich nie durchsetzen. Schon bald nannte man die Behörde nur noch nach ihrem Chef: Gauck-Behörde. Intern lästerten ein paar Kritiker, die Abkürzung Gauck stehe für »Größte Aktenumwälzungsanlage unter Christlicher Kontrolle«. Der bisherige Sonderbeauftragte der Bundesregierung musste seine Visitenkarten wegwerfen. Mit Inkrafttreten des Stasiunterlagengesetzes mutierte er zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR . 292

Das Erbe des Kraken
    Er erfüllte die ihm zugedachte Rolle als Großinquisitor. Als Herr der Akten fand er justament immer dann ein belastendes Papier, wenn eines gebraucht wurde – mal gegen Stolpe, mal gegen Gysi, mal gegen Stefan Heym […] Die Gauck-Behörde und die von ihr monopolistisch verwalteten Akten wurden systematisch zur Kriminalisierung der DDR und ihrer Protagonisten eingesetzt.
    Ex- DDR -Ministerpräsident Hans Modrow
 
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich habe unter den Auseinandersetzungen mit den ewig Gestrigen nicht gelitten, sondern mit Lust und Freude für die Aufklärung gestritten.
    Joachim Gauck
 
    Die Angriffe auf ihn haben ihn gewurmt. Darauf hat er dann mit der Einstellung reagiert – jetzt erst recht.
    Geigers Sekretärin Silvia Tzschentke

IM »Sekretär«
    Die spektakulären Enthüllungen über die frühere IM -Tätigkeit von Spitzenpolitikern, die aus der ehemaligen DDR stammten, nahmen kein Ende. Das nächste politische Schwergewicht, das in den Verdacht geriet, als Inoffizieller Mitarbeiter tätig gewesen zu sein, war Manfred Stolpe, seit dem 1. November 1990 Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Auch in seinem Fall wurde keine Akte oder Verpflich 293 tungserklärung gefunden. Anders als Wolfgang Schnur, Ibrahim Böhme oder Lothar de Maizière trat Stolpe nicht von seinem Amt zurück. Im Januar 1992, gab der Ministerpräsident zu, »umfangreiche Gespräche« mit der Stasi geführt zu haben. Seine Begründung: Er habe im Auftrag der Kirche mit dem MfS kommuniziert, um »den SED -Staat durch seine eigenen Machtmittel zu überlisten«. Kirchliche Ziele sollten über den Umweg Staatssicherheit erreicht werden. Daraufhin setzte der brandenburgische Landtag einen Untersuchungsausschuss ein, der die Vorwürfe gegen Stolpe klären sollte. Die BStU wurde gebeten, zu diesem Zweck ein Gutachten zu erstellen. Gauck, der den Kirchenjuristen Stolpe seit den achtziger Jahren aus Gremien in der evangelischen Kirche kannte, hatte zunächst keinerlei Misstrauen gehegt. Noch im Sommer 1990, als Gauck zusammen mit anderen Bürgerrechtlern die Theodor-Heuss-Medaille verliehen worden war, wünschten sich die Preisträger, dass Stolpe die Laudatio halten sollte. Gauck: »Stolpe war doch einer unserer wichtigsten Protagonisten.«
    Ende März 1992 lag das Gutachten der Gauck-Behörde vor. Es kam zum Ergebnis, dass Brandenburgs Ministerpräsident »nach den Maßstäben des MfS über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren ein wichtiger IM im Bereich der evangelischen Kirche der DDR war«. Wie emotional und teilweise irrational die Debatte im Fall Stolpe geführt wurde, wird besonders deutlich an der Präsentation des Gutachtens vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuss. Zwei Mitarbeiter der BStU fuhren die Untersuchungsergebnisse am 10. April nach Potsdam und übergaben sie dem Ausschussvorsitzenden Lothar Bisky. Die Akten waren in grüne Leinensäcke verpackt, die aus Beständen des MfS stammten und in der Behörde üblicherweise zum Aktentransport verwendet wurden. Im Anschluss an die Sitzung bezeichnete 294 das FDP -Ausschussmitglied Rosemarie Fuchs es als eine »Schweinerei« der Gauck-Behörde, dass die Unterlagen in einem unversiegelten »Campingbeutel« transportiert worden seien.

    36  Zeuge im Stolpe-Untersuchungsausschuss
    Der Fall Stolpe war ein Wendepunkt in der Aufarbeitung der Stasivergangenheit. Er polarisierte die Öffentlichkeit von Anfang an und war eine Steilvorlage für alle, die schon immer für ein Wegsperren der Akten gewesen waren. Nicht nur seine SPD -Parteifreunde solidarisierten sich mit Stolpe, sondern er erhielt Zuspruch aus allen Lagern. Die sozialdemokratischen Altbundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt gaben ebenso Ehrenerklärungen für 295 ihn ab wie die FDP -Politiker Otto Graf Lambsdorff und Dietrich Genscher.

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