Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
Vom Netzwerk:
der Gauck-Behörde keine ausreichenden Beweise vor. Der Bundesbeauftragte reagierte betroffen. »Manfred Stolpe hat in diesem Fall nicht die Wahrheit gesagt. In der Politik geht Derartiges nicht immer negativ aus.« Es war nach Gaucks Erinnerung der einzige Fall in seiner Amtszeit, in dem ihm gerichtlich untersagt wurde, eine Aussage zu wiederholen. Als er bei seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 2000 gefragt wurde, was seine bitterste Niederlage während seiner Amtszeit gewesen sei, nannte er nach längerem Nachdenken den Fall Stolpe. »Die Entscheidung des brandenburgischen Untersuchungsausschusses, Stolpe vom IM -Verdacht freizusprechen, war für mich und die Mehrheit meiner Beschäftigten nicht nachzuvollziehen.«
    Die rechtlichen Auseinandersetzungen um Stolpe zogen sich über Jahre hin. Längst konnte der normale Bürger Dichtung und Wahrheit nicht mehr auseinanderhalten, als der Bundesgerichtshof am 16. Juni 1998 entschied, es dürfe 298 behauptet werden, der brandenburgische Ministerpräsident habe im Dienst der Staatssicherheit gestanden. Sieben Jahre später hob das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil auf und urteilte, dass eine Bezeichnung Stolpes als ehemaliger Stasimitarbeiter oder » Inoffizieller Mitarbeiter « nicht zulässig sei. Es war eine Never-ending-Story, die letztlich keine Klarheit brachte und beide Kontrahenten beschädigte. Stolpe konnte sich vom Vorwurf, IM gewesen zu sein, nie reinwaschen. Joachim Gauck verlor ein Stück Glaubwürdigkeit. Rückblickend meint David Gill: »Mit Stolpe, das hätte Gauck gerne anders gehabt. Unser Problem war, wie Stolpe mit dem Ganzen umgegangen ist. Im Zweifel hätte es ihm nicht so sehr geschadet, wenn er von Anfang an seine Zusammenarbeit mit dem MfS offengelegt hätte.«

IM »Notar«
    Der nächste Spitzenpolitiker aus Ostdeutschland, der Anfang 1992 in den Verdacht geriet, unter den Decknamen »Gregor«, »Notar« und »Sputnik« dem MfS zugearbeitet zu haben, war Gregor Gysi, der Chef der Partei des Demokratischen Sozialismus, die der SED nachgefolgt war. Ihn traf der Vorwurf, als Rechtsanwalt namhafte Bürgerrechtler unter seinen Mandanten an das Mielke-Ministerium verraten zu haben. Gysi stritt wie Stolpe alles ab. »Hat mich die Stasi nicht zum IM gemacht, dann macht es Gauck auch nicht.« Auch im Fall Gysi zogen sich die juristischen Auseinandersetzungen um seine vermeintliche IM -Tätigkeit über viele Jahre hin. Das Ergebnis war ähnlich wie bei Manfred Stolpe. Gysi setzte sich regelmäßig vor den Gerichten durch, die Stasivorwürfe verstummten dennoch nie und frei machen davon konnte er sich bis heute nicht. Zuletzt ermittelte die Staatsanwaltschaft im Februar 2013 wegen 299 falscher eidesstattlicher Erklärung im Hinblick auf seine angeblichen Stasikontakte gegen ihn.
    Am 9. Februar 1995 beschloss der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages, die Stasivorwürfe gegen den PDS -Abgeordneten zu klären. Wieder wurde bei der BStU ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Expertise der Gauck-Behörde kam zum Ergebnis, »dass Gysi als Rechtsanwalt von Oppositionellen die Interessen des MfS mit durchzusetzen half und mandantenbezogene Informationen an das MfS weitergab«. Das vierundvierzigseitige Gutachten hatte einen umfangreichen Dokumentenanhang: Gesprächsprotokolle, Treffberichte und das Arbeitsbuch des für Gysi zuständigen Führungsoffiziers. Die Möglichkeit, dass Gysi von der Stasi lediglich »abgeschöpft« worden sei, schloss die Gauck-Behörde aus, zumal das MfS den Juristen mehrfach mit Geld belohnt hatte. Der Spiegel spekulierte bereits über das Ende von Gysis politischer Karriere. Doch es sollte anders kommen.
    Die Rechercheergebnisse und weiteres internes Material aus der Gauck-Behörde wurden noch im Entwurfsstadium öffentlich bekannt. Erneut gab es ein Leck beim Bundesbeauftragten. Gysi konnte so belegen, dass das Gutachten während seiner Entstehung mehrfach redaktionell bearbeitet und dabei zu seinen Ungunsten verschärft worden war. Der clevere Anwalt ging zum Gegenangriff über. Das Gutachten sei »manipuliert« worden und »schlampig« erstellt, behauptete er. Die Behörde verfolge offensichtlich das Ziel, ihn »aus der Politik zu drängen«. Gysis Parteifreunde tobten. »Gauck nutzt seine Möglichkeiten, um von ihm als solche erkannte Feinde zu bekämpfen, nach Möglichkeit zu vernichten. Der Versuch, Gregor Gysi […] im Rahmen des Überprüfungsverfahrens des Bundestages beruflich und politisch zu zerstören, ist

Weitere Kostenlose Bücher