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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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war es der Historiker Hubertus Knabe, dem es schwerfiel, den rechtlichen Rahmen, den das Stasiunterlagengesetz für die Nutzung der Akten vorgab, zu akzeptieren. Knabe war 1991 einer von zwei Co-Autoren von Gaucks erstem Buch »Die Stasi-Akten. Das unheimliche Erbe der DDR « gewesen und arbeitete seit 1992 in der Forschungsabteilung der BStU . Der Leiter der Abteilung Sonderrecherche, Klaus Richter, erinnerte sich an ihn: »Knabe hatte sich schon vorher als schwieriger Mitarbeiter erwiesen, den sein unmittelbarer Vorgesetzter entlassen wollte. Doch Gauck hatte sich vor Knabe gestellt.«
    Jetzt arbeitete der Forscher an einer Studie zur »West-Arbeit« des MfS , die 1999 in der Schriftenreihe der Behörde veröffentlicht werden sollte. Als die Arbeit fertig war, sorgte der Autor dadurch für Wirbel, dass er ankündigte, sein Buch unter dem Titel »Die unterwanderte Republik« mit erweitertem Inhalt gleichzeitig in einem anderen Verlag zu veröffentlichen. Das amtliche Werk der Gauck-Behörde sei mehrfach zensiert worden, begründete er diesen Affront gegenüber seinem Arbeitgeber. Knabe wollte nicht akzeptieren, dass Erkenntnisse, die er aus seiner Arbeit mit den Akten gewonnen hatte, in der Behördenbroschüre teilweise nicht veröffentlicht werden sollten. Als behördeninterner Forscher konnte Knabe in alle Akten samt darin ent 304 haltener Personendaten sehen, die für externe Forscher nach den Regeln des Stasiunterlagengesetzes nicht zugänglich waren. Mit seiner Parallelveröffentlichung unterlief Knabe das Stasiunterlagengesetz. David Gill kritisierte dieses Vorgehen. »Er hat der ganzen Konstruktion einen Bärendienst erwiesen.« Peter Busse, der Nachfolger von Hansjörg Geiger, sprach von einem »großen Schaden nach innen und außen«. Der Bundesbeauftragte entzog Knabe daraufhin seinen Posten als kommissarischer Sachgebietsleiter der Forschungsabteilung. Bald darauf verließ Knabe seinen Arbeitgeber und wurde 2001 wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit.
    Der Vorgang ist deshalb bemerkenswert, weil er zeigt, wie sehr Gauck als Behördenchef immer wieder in die öffentliche Kritik geriet, ohne dass ihn dabei ein persönliches Verschulden traf. Allein die Tatsache, dass er einem seiner Mitarbeiter unter Hinweis auf die Gesetzeslage die Veröffentlichung bestimmter Informationen untersagte, führte zu einem Proteststurm gegen die Behörde und ihren Leiter. Hier werde ein guter Rechercheur kaltgestellt, behaupteten die Kritiker des Bundesbeauftragten, ein Mann, der für die Forschung unverzichtbar sei. Prominente Bürgerrechtler und Politiker solidarisierten sich mit Knabe. Der damalige Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, glaubte zu wissen, dass die BStU die Erforschung der Stasitätigkeit in Westdeutschland behindere. Am besten wäre es daher, der Behörde den Forschungsetat zu kappen. Gauck konnte es schlechterdings nicht allen gesellschaftlichen Kräften recht machen – immer wieder saß er zwischen allen Stühlen. 305

Der Fall Kohl
    In seinem letzten Amtsjahr geriet Gauck noch einmal unvermutet in die Schlagzeilen. Diesmal ging es um Helmut Kohl. Im Frühling 2000 untersuchte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den illegalen Umgang des Ex-Kanzlers mit Parteispenden. In diesem Zusammenhang forderte der Ausschuss von der BStU Telefonmitschnitte an, die die Hauptabteilung Aufklärung der Stasi tausendfach von Gesprächen bundesdeutscher Politiker erstellt hatte und die der Vernichtung entgangen waren. Wie es der damaligen Behördenpraxis und herrschenden Rechtsauffassung entsprach, sagte der Bundesbeauftragte zu, das gewünschte Material zu liefern. Zehn Jahre nach der Wende erhitzten sich erneut die Gemüter. Angela Merkel, damals CDU -Generalsekretärin, bedrängte Gauck gemeinsam mit CDU -Juristen, die fraglichen Dokumente nicht herauszugeben. Gauck beharrte auf seiner Rechtsauffassung.
    Die Linken pochten dagegen auf Gleichbehandlung. »Gleiches Recht für alle«, forderte Manfred Stolpe, »wenn zehn Jahre lang die Ossis mit Hilfe der Papierfetzen zum Teil in unfairer und ungerechter, die Menschwürde verletzender Weise behandelt wurden, muss das jetzt auch so ausgehalten werden von denen, die von der Biografie her an anderer Stelle gesessen haben.«
    Der »Kanzler der Einheit« war empört. So habe er sich das nicht vorgestellt mit dem Stasiunterlagengesetz, teilte

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