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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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beim alten Gauck«, meinte er lachend, als ihn der Spiegel anrief. Dass die Wahl der Opposition auf ihn, einen Parteilosen, gefallen war, war eine große Überraschung. Seit zehn Jahren war er Privatier und hatte sich abseits des engeren Politikbetriebs bewegt. Er war siebzig Jahre alt und wäre im Fall seiner Wahl bei Amtsantritt der älteste Bundespräsident gewesen, den die Republik je gehabt hatte.
    SPD und Grüne stellten ein paar ihrer Leute ab, um ihrem Kandidaten eine professionelle Kandidatur zu ermöglichen. Von der SPD kam der neunundzwanzigjährige Johannes Sturm, der bislang als Pressereferent in der Parteizentrale der Sozialdemokraten gearbeitet hatte. Andreas Schulze, damals Pressesprecher von Marianne Birthler in der BStU , sollte die Pressearbeit für Gauck machen. Als man Schulze dem Präsidentschaftskandidaten vorstellte, war der zunächst misstrauisch und erklärte: »Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen arbeiten will.« Gauck, wie immer auf Unabhängigkeit bedacht, wollte sich im Vorfeld der Wahl nicht fernsteuern lassen. Er hätte es vorgezogen, nur mit Vertrauten, wie seinem ehemaligen Pressesprecher bei der BStU , Johann Legner, ins Rennen zu gehen. Die Politikprofis von SPD und Grünen redeten auf den Kandidaten ein, um ihn von Schulze zu überzeugen. Schließlich lenkte Gauck ein. »Es wird ja viel zu tun geben. Da können 338 wir für die Pressearbeit auch einen Pressesprecher gebrauchen.«
    Gauck selbst bat David Gill, Helga Hirsch und Johann Legner, in seinem Team mitzuarbeiten und ihm bei seiner Kandidatur zur Seite zu stehen. Auch Hansjörg Geiger stand als Berater zur Verfügung. Gill, zu diesem Zeitpunkt beim Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands beschäftigt, hatte in den zurückliegenden Jahren immer den Kontakt zu Gauck gehalten. Er hatte seinen ehemaligen Chef zu seiner Hochzeit eingeladen, der Jüngere kam zu den runden Geburtstagen des Älteren. Darüber hinaus hatten sie sich ein, zwei Mal im Jahr gesehen oder auch nur mal telefoniert. Am besten dürfte ihre Beziehung als ein Vater-Sohn-Verhältnis beschrieben sein. Geigers ehemalige Sekretärin Silvia Tzschentke meinte zu dem Umgang von Gauck und Gill: »Zu ihm hat Gauck eine besondere Nähe.« Heute bestätigt Johannes Sturm: »Es ist für jeden sichtbar, dass Gill ihm am nächsten ist.« David Gill, auf das Vater-Sohn-Thema angesprochen, wies das allerdings peinlich berührt zurück.
    Was verband Gauck und Gill über ihre berufliche Zusammenarbeit hinaus? David Gill meinte: »Ähnliche Erfahrungen. Das Aufwachsen in Unfreiheit, das Erlebnis der Freiräume, die man in der Kirche hatte. Ich kann sehr viel mit seiner Message anfangen.« Und Gauck? »Ich habe eine so unglaubliche Freude an dem Mann. Zum einen verbindet uns der christliche Glaube. Man muss weit gehen, um unter intelligenten Leuten jemanden zu finden, der so ›arglos und edel‹ ist wie er. Zum anderen zeichnet ihn sein großes Leistungsvermögen aus. Vielleicht ist es so, dass ich mir wünsche, als junger Mann mehr so gewesen zu sein wie er. Es ist eine schöne Verbindung über Generationen hinweg. Er ist einfach toll.« 339
    Vor allem lag Gauck aber die Mitarbeit von Helga Hirsch bei seiner Kandidatur sehr am Herzen. Von Beginn an stellte er klar: »Ohne Frau Hirsch geht hier gar nichts.« Seine ehemalige Lebensgefährtin kümmerte sich dann in erster Linie um die Interviews, die er gab, und las sie Korrektur. Sie drängte Gauck, das Spektrum seiner Themen zu erweitern. Seine Konzentration ausschließlich auf sein favorisiertes Sujet Freiheit, mit dem er es sich nach ihren Worten »so eingerichtet« hatte, schien ihr zu wenig. »Du bist wie eine Platte«, kritisierte sie ihn deshalb. Gaucks Freund, Klaus Richter, sah das ähnlich: »Wenn man ihn zehnmal gehört hatte, wurde es langweilig. Er hatte im Kern ja immer dasselbe Thema.«
    Es war klar, dass die »Mission Bundespräsident« keine ernsthafte Aussicht auf Erfolg hatte, weil Union und FDP in der Bundesversammlung über eine eindeutige Mehrheit verfügten, um ihren Kandidaten Christian Wulff durchzusetzen. Für Gauck und seine kleine Mannschaft konnte es deshalb nur darum gehen, sich als würdige Alternative zu präsentieren. »Ich bin Realist, und ich kann auch zählen«, meinte Gauck zu seinen Chancen. »Ich habe aber in meinem Leben Ereignisse erlebt, die lange als unwahrscheinlich galten.« Von der Bevölkerung wurde die Kandidatur des ehemaligen Bundesbeauftragten mit großer Sympathie begleitet. Der

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