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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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Bundesversammlung die Stimmen der Linken benötigt. Doch ausgerechnet diesem Mann ihre Stimme zu geben, dazu konnte sich die Linke nicht durchringen. »Nicht wählbar«, lautete das Urteil der Parteispitze über den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten. Gauck hatte im Vorfeld der Wahl auch nicht einen Moment um die Stim 343 men aus dem sozialistischen Lager geworben. Im Gegenteil. Im Zuge seiner Kandidatur hatte er sich für die Beobachtung von Teilen der Linkspartei durch den Verfassungsschutz ausgesprochen und erklärt, er könne »noch immer keine Bindung der Linken an das europäische Demokratieprojekt erkennen«. Mit deren Fraktionschef Gregor Gysi verbinde ihn »persönlich eher wenig – um nicht zu sagen nichts«.
    Generell war dort, wo die Linke einen hohen Wähleranteil hatte, die Zustimmung zu Gauck geringer als in anderen Regionen der Bundesrepublik. In seiner Heimat, in Mecklenburg-Vorpommern, blieb Gauck umstritten. Der Prophet galt weniger im eigenen Land als anderswo. Nach der Wende hatten die Landschaften im Nordosten Deutschlands nicht so zu blühen begonnen, wie die meisten es sich erhofft hatten. »Wir sind auf der Strecke geblieben«, so empfanden viele Mecklenburger zwanzig Jahre nach der Wende. Dass Joachim Gauck, einer von ihnen, es im vereinten Deutschland bis an die Spitze des Staates brachte, machte viele seiner Landsleute nicht stolz. Als diskutiert wurde, ob Gauck Ehrenbürger von Rostock werden sollte, befragten die beiden großen Regionalzeitungen des Landes, die Schweriner Volkszeitung und die Ostsee-Zeitung, ihre Leser, was sie davon hielten. Die Teilnehmer an den Umfragen sprachen sich mehrheitlich gegen diese Ehrung ihres Landsmanns aus. Kritisiert wurde vor allem, dass der Bundespräsident sich angeblich zu stark in Szene setzte. Die Rostocker Bürgerschaft bestimmte Joachim Gauck am 4. April 2012 dennoch mit großer Mehrheit zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt. Nur die Fraktion der Linken war geschlossen gegen Gauck. Wie immer.
 

344 Die Kritik der Bürgerrechtler
    Als Joachim Gauck zwei Jahre später erneut Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten wurde, sprachen sich erstaunlicherweise eine Reihe ehemaliger Bürgerrechtler gegen seine Wahl aus. Ihr Vorwurf: Gauck sei nie ein Dissident gewesen, sondern ein »Bürgerrechtler der letzten Stunde«. Er habe sich »nur im Rahmen der Institution Kirche« bewegt und nicht in der ersten Reihe der Revolutionäre gestanden, »als sich landesweit die Opposition vernetzte, illegal, mit Risiken«. Er sei nicht mit dabei gewesen, als die Dissidenten Friedensseminare in Dörfern veranstaltet und Verhöre in Stasigefängnissen über sich ergehen lassen mussten. »Sein Ort waren geschützte Räume«, kritisierte ihn sein alter Weggefährte Heiko Lietz. Der ehemalige Pastor Hans-Jochen Tschiche, 1990 wie Gauck Volkskammerabgeordneter für das Bündnis 90/Grüne, meldete sich zu Wort. »Er ließ sich in München bei einer Preisverleihung mit den Geschwistern Scholl vergleichen und wurde noch nicht einmal schamrot. Er hat niemals zur DDR -Opposition gehört, deren Akteure man im heutigen Sprachgebrauch Bürgerrechtler nennt. […] Und er reist ohne Skrupel auf diesem Ticket durch die politische Landschaft. Er ist kein Vater der protestantischen Revolution, sondern er gehört zu denen, die sie beendet haben. […] Laut und deutlich will ich aussprechen: Gauck ist die falsche Person.«
    Joachim Gauck hatte von sich selbst nie behauptet, ein Dissident gewesen zu sein. Im Gegenteil, er hatte immer klargestellt, dass andere vor ihm und unter Eingehung größerer persönlicher Risiken gegen den Staat opponiert hatten. So etwa in einem Interview 1991, lange bevor die entsprechenden Vorwürfe gegen ihn auftauchten. »Ich war ein Pastor, der im Grunde normalen kirchlichen Dienst ge 345 macht hat, dabei seiner Jugend, seinen Gesprächskreisen und seiner Gemeinde im Gottesdienst die Wahrheit nicht schuldig blieb – das war in Rostock bekannt –, der aber trotzdem keiner politischen Gruppierung angehörte.« In seinen Erinnerungen schrieb er: »Sicher bin ich aus Rücksicht auf das kirchliche Amt manchmal nicht so weit gegangen wie beispielsweise unser Freund Heiko Lietz, der auf sein Pfarramt verzichtete, um sich in der Basisgruppenarbeit eindeutiger positionieren zu können.«
    Gauck fühlte sich durch die Kritik getroffen. »Es hat mich schon gewurmt, dass die ehemaligen Oppositionellen es nötig hatten, mich in dieser Weise anzugreifen. […]

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