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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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Darunter litt meine Ehe und die Beziehung zu meinen vier Kindern. Ich empfand Schuldgefühle, wollte aber auch nicht zurück.« Existenzielle Fragen mussten geklärt werden. Wovon sollten Hansi Gauck und Katharina leben? Und wo sollten sie wohnen, wenn der Familienvater kein Pastor mehr war und sie das Haus an der Nikolaikirche, das im Eigentum der Kirche stand, räumen mussten? Joachim Gauck hatte sich für materielle Fragen nie sonderlich interessiert. Seine Frau hatte mit seinem kargen Gehalt die sechsköpfige Familie irgendwie durchgebracht, es war nie genug gewesen. Joachim Gauck war zwar ein Ästhet und Genießer, aber genügsam 257 in seinen eigenen Ansprüchen. »Viele Pastoren in der DDR beklagten sich über das lächerlich geringe Gehalt, er nie«, erinnerte sich Dietlind Glüer.
    Gaucks Frau konnte mit ihrer Tochter noch ein paar Jahre in dem Haus an der Nikolaikirche wohnen bleiben. Sie hätte ihre Bleibe damals gern erworben, konnte sich den Kauf des Hauses aber nicht leisten. Später zog sie aus und noch später, als Joachim Gauck die Doppelhaushälfte in Brinckmansdorf gekauft hatte, in der früher seine Eltern gelebt hatten, zog sie dort ein. Ab und zu besuchten Hansi Gauck und Katharina den Familienvater in Berlin, als er schon Chef der Stasiunterlagenbehörde war. Dann stellte er die Arbeit zurück und blieb nicht die halbe Nacht in seinem Büro wie sonst oft. Für die jüngste Tochter, die zwölfjährige Katharina, war es natürlich ein Schock, dass der Vater sie und ihre Mutter verließ. Sie nahm es ihm übel, und ihr Kontakt sollte für einige Jahre sehr eingeschränkt sein. Ebenso gingen seine älteren Kinder in dieser Zeit auf Distanz zum Vater, wenn auch der Kontakt nie abriss. Für Christian kam die Trennung seiner Eltern nicht überraschend, er betrachtete sie eher als eine Zwangsläufigkeit. »Ich habe gedacht, das hätten sie eigentlich schon früher tun sollen.« Was die Kinder dem Vater wirklich übelnahmen, war seine Weigerung, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie suchten damals das Gespräch mit ihm, aber er war für sie nicht erreichbar. Christian Gauck: »Er hat damals viel verdrängt und immer gesagt, er könne sich darum jetzt nicht kümmern. Da war dieses neue, wahnsinnige Amt, die Stasiunterlagenbehörde, er war nur noch unterwegs, hat sich in die Arbeit geflüchtet. Wir waren in dieser Zeit mehr auf der Seite unserer Mutter und haben ihm oft gesagt, dass es so nicht geht.«
    Die Verstimmung hielt jahrelang an. Als Gauck in den 258 Neunzigern, nach einer Veranstaltung in Lübeck, mit Freunden am Haus seines Sohnes Martin in Groß Grönau vorbeifuhr, zeigte er nur im Vorbeifahren darauf, ohne anzuhalten. »Ja, das kann wohl passieren, wenn Termine warten«, meinte Gauck Jahre später dazu, »aber natürlich habe ich auch diese Familie besucht und nicht nur einmal.« Im Jahr 2000 hielt er einen Vortrag in der Evangelischen Akademie in Hamburg. Keines seiner in Hamburg lebenden Kinder und Enkelkinder zeigte sich. Gaucks Freunden, Martina und Rüdiger Schmidt, fiel das auf, und sie fragten sich nach den Gründen. Im selben Jahr eröffnete Gauck eine Ausstellung im Lübecker Rathaus. Kein Familienmitglied nahm an der Veranstaltung teil, obwohl sein Sohn Martin mit seiner Familie ganz in der Nähe lebte. Vor dem anschließenden Essen sagte Gauck nachdenklich zu Rüdiger und Martina Schmidt: »[…] denn kommt mal mit, ihr seid dann meine Kinder.«
    Obwohl Joachim und Hansi Gauck seit mehr als zwanzig Jahren kein Paar mehr sind, sind sie bis heute miteinander verheiratet. Ein paar Jahre nach ihrer Trennung entkrampfte sich ihr Verhältnis wieder. Die Familie wurde größer, es gab Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten. Vier Kinder, elf Enkelkinder und eine wachsende Zahl von Urenkeln, die immer wieder Anlass gaben, miteinander zu sprechen und sich zu treffen. Hansi Gauck: »Anfangs, als sich mein Mann von uns getrennt hatte, waren Familienfeiern ein schwieriges Thema, weil im Vorfeld geklärt werden musste, ob er oder ich komme.« Inzwischen sind bei den Familienfeiern beide Elternteile dabei. Wenn Joachim Gauck nach Rostock kommt, besucht er dabei regelmäßig seine Frau. Auch den Tag ihrer goldenen Hochzeit verbrachten sie 2009 gemeinsam. Die inzwischen über Siebzigjährige arbeitet an vier Tagen in der Woche für ein paar Stunden 259 ehrenamtlich im Kaffee Marientreff, einer gemeinnützigen Einrichtung, die in einem kleinen Backsteinbau, direkt neben der Marienkirche, untergebracht

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