Gauck: Eine Biographie (German Edition)
ist. Hansi Gauck hatte den Trägerverein 1998 gemeinsam mit ihrer Freundin Dietlind Glüer gegründet. Sie kümmert sich um Spenden, die Verwaltung, organisiert die Dienstpläne und bedient Gäste.
Privater Neubeginn
Der Beginn eines neuen Lebens in Berlin und die Lösung von Familie und Freunden wurde Gauck dadurch erleichtert, dass er 1990 die Journalistin Helga Hirsch kennenlernte, die seine neue Lebenspartnerin wurde. Die damalige Warschau-Korrespondentin für DIE ZEIT war nach Berlin geschickt worden, um einen Artikel über die Volkskammerwahlen zu schreiben. Bei ihrer ersten Begegnung mit Gauck war dieser gerade dabei, für das Neue Forum einen Wahlwerbespot für das Fernsehen zu drehen. Er begrüßte sie in seiner typischen spontanen Art: »Da kommt ja eine schöne Frau, die kann für uns die Moderation machen.« Es folgten ein Interview, gegenseitige Sympathie und bald die ersten Reisen von Gauck zur neuen Freundin nach Warschau. Im Laufe des Jahres wurden Hirsch und Gauck ein Paar. Gaucks Schwester Marianne hatte Verständnis dafür, dass ihr Bruder sich einer neuen Frau zuwandte. »Das war zu erklären und konnte man verstehen. Da hat er einiges von dem nachgeholt, was er durch seine frühe Heirat als Student versäumt hat.«
Der Volkskammerabgeordnete wohnte zu dieser Zeit ausgerechnet in einer ehemaligen konspirativen Wohnung des MfS in der Leipziger Straße. Warum die Stasi mit ihrem besonderen Humor bei der Vergabe von Decknamen die möblierte Zweizimmerwohnung »Terrasse« genannt hatte, 260 wird für immer ihr Geheimnis bleiben. In dem Plattenbau war es aufgrund der auf der Straße vorbeidonnernden LKW oft so laut, dass Helga Hirsch ihre Matratze nahm und in den Flur legte, anders hätte sie kein Auge zumachen können. Die Unterkunft, die Gauck vom Bundesvermögensamt zugewiesen worden war, verfügte noch über die originale Einrichtung: Durchreiche von der Küche ins Wohnzimmer, braune, glänzende Schrankwand, in der große Cognacschwenker standen, Ecksofa mit Beistelltisch, zwei plüschige Kunstfellsessel. »Es war schrecklich«, erinnerte sich Helga Hirsch, »ich habe erst mal stundenlang alles abgewaschen.« Joachim Gauck räumte im Hinblick auf seine damalige Behausung ein: »Eigentlich wohnte ich in jenen Jahren gar nicht. Ich war unterwegs.«
Gelegentlich besuchte Gauck seine Schwester Sabine in ihrem Berliner Haus oder seinen Cousin Gerhard Schmitt, der mit seiner Familie in einer großen Altbauwohnung in Kreuzberg wohnte. Der Kontakt zwischen den Vettern war nie abgerissen. Als Gauck in den letzten Jahren der DDR regelmäßig nach West-Berlin hatte reisen dürfen, hatte er entweder bei seinem Onkel Gerhard Schmitt oder dessen Sohn Gerhard junior übernachtet. Jetzt sahen sie sich wieder häufiger. Gauck kam gelegentlich einfach nur mal vorbei, um sich von seinem anstrengenden Job in der Volkskammer zu erholen, und legte sich in der Wohnung seines Cousins eine Stunde aufs Ohr. Oder er kam mit Helga Hirsch zum Abendessen.
Im Oktober 1990, als Gauck Behördenchef geworden war, verließ er seine Heimatstadt Rostock endgültig. Weihnachten zog er mit seiner neuen Lebensgefährtin in eine gemeinsame Wohnung in der Voßstraße in Berlin-Mitte. Gauck und Hirsch gehörten zu den ersten Mietern, die in den Neubau einzogen. Besonders genossen sie den Blick 261 aus ihrer Wohnung – damals konnte man von dort bis zum Potsdamer Platz schauen – und verfolgten, quasi vom Balkon aus, die überwältigende architektonische und historische Entwicklung des Platzes nach der Wiedervereinigung. Weniger erfreulich war die Wärmedämmung des Gebäudes, die nicht heutigen Standards entsprach. In warmen Sommern heizten sich die Wohnungen bis auf vierzig Grad auf. Nach sechs Jahren Plattenbau zog das Paar 1996 noch einmal um, in eine Altbauwohnung in Schöneberg. Hier lebte Joachim Gauck bis zu seinem Umzug in die Villa des Bundespräsidenten im Sommer 2012.
In ihrer Freizeit pendelten Gauck und Hirsch bis 1995 zwischen Berlin und Warschau hin und her, solange Gaucks Lebensgefährtin als Korrespondentin für DIE ZEIT in Polen arbeitete. In diesen Jahren brachte sie ihrem Freund Polen näher, woraus sich ein Faible Joachim Gaucks für das östliche Nachbarland Deutschlands entwickelte. Besonders die Freiheitsliebe der Polen imponierte ihm. Hirsch und Gauck machten zusammen Urlaub in Masuren, unternahmen Bootsfahrten, wohnten bei Freunden in einem Holzhaus mitten im Wald. Auch politisch eröffnete Helga Hirsch
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