Gaunts Geister 5 - Die Feuer Von Tanith
Maske konnte Varl das Prasseln verbrauchter Hülsen
hören, die vom feindlichen Geschütz auf den Marmorboden fielen. Varl glitt auf
den Knien herum und schickte sich an, eine Sprengladung scharf zu machen.
Das
gegnerische Feuer verstärkte sich, und der Boden zwischen den Säulenreihen war
plötzlich mit hässlichen Minikratern übersät.
Varl
traute seinen Augen kaum, als er sah, dass Kolea im Angesicht des feindlichen
Sperrfeuers mit Erfolg vorgelaufen und ihm jetzt auf der anderen Seite zwei Säulen
voraus war. Kolea stand mit dem Rücken zu der mit Einschusslöchern übersäten
Säule und warf eine Granate über die Schulter dem Feind entgegen.
Die
Explosion ließ Flammen in ihre Richtung lodern. Varl sprang auf und rannte kurz
durch den Qualm, um sich in die Deckung der Säule schräg vor Kolea zu werfen.
Als Kolea das sah, tauchte er wieder in den Gang und zog zuerst gleich und dann
eine Säule vor.
Es war
wie bei einem dämlichen Wettbewerb, wie eines dieser hirnlosen
Herausforderungsspiele, an denen Varl als Jugendlicher teilgenommen hatte. Es
hatte nichts mit Geschick und Können zu tun. Auch nicht mit Taktik oder
Kampferfahrung. Es gehörte lediglich Schneid dazu. Durch das gegnerische
Geschützfeuer zu laufen, den Kugeln zu trotzen und den Teufel herauszufordern
und zu verspotten. Sie gewannen durch nackte Tollkühnheit an Boden, und es war
reines Glück, dass bisher keiner von ihnen getroffen worden war.
Kolea
schaute zu Varl zurück.
Den
Teufel herausfordern. Überall jaulten Kugeln.
Varl
rannte los, wich einem kurzen Feuerstoß durch einen instinktiven Haken zur
Seite aus und strapazierte sein ohnehin bereits bis zum Zerreißen gespanntes
Glück noch mehr, um sich hinter die nächste Säule in der Reihe zu werfen. Er
spürte sie im Rücken vibrieren, als sie auf der anderen Seite von
Autokanonenbeschuss getroffen wurde.
Den
Teufel herausfordern. Ein verdammtes Den-Teufel-Herausfordern. Aber genug war
genug. Der Imperator, möge er immer wachsam sein, war ihm bis hierher gnädig
gewesen, aber das war es. Jeder weitere Schritt war Selbstmord. Varl wusste,
dass Glück die Freundin eines Soldaten war. Es blieb einem treu, aber es war
dennoch wankelmütig und hasste es, um einen Gefallen gebeten zu werden.
»Neun,
sechs. Bleib in Deckung. Ich glaube, ich ...«
Autokanonenschüsse
knatterten und schlugen Löcher in die Wand. Kolea war gerade an der Wandseite
der Säulen auf seiner Hälfte der Halle nach vorn gerannt und hinter einer Säule
zehn Meter weiter vorne in Deckung gegangen.
»Neun!«
»Sechs?«
»Du
bist ein dämlicher verfluchter Irrer!«
»Es
klappt doch, oder nicht?«
»Aber
eigentlich konnte es gar nicht klappen, und es wird auch nicht wieder klappen,
wenn wir's noch mal versuchen!«
»Kalte
Füße, Tanither?«
»Leck
mich, Kolea!«
Von
allen Geistern verkörperten Varl und Kolea die besten Aspekte der Rivalität
zwischen Tanithern und Verghastiten. Es gab einige wenige aus beiden Reihen, in
denen sich die hässlicheren Ressentiments manifestierten, wobei Vorurteile oder
simple rassische Feindschaften die schlimmsten waren. Sergeant Varl und
Sergeant Kolea hatten sich rasch angefreundet, aber ihre Freundschaft
beinhaltete auch ein gewisses Maß Rivalität. Jeder war ein bemerkenswerter
Soldat und bei seinen Männern beliebt.
Beide
standen auf gutem Fuß mit Gaunt. Und beide führten einen Trupp, der allgemein
als hervorragend, solide und zur zweiten Reihe zählend betrachtet wurde.
Diese
Unterscheidung war nicht offiziell. Es galt nur als Tatsache, dass eine Hand
voll Trupps die Regimentselite bildete: Mkolls Späher, Rawnes gnadenlose Bande,
Corbecs einsatzfreudige Einheit, Brays hochdisziplinierter und extrem
gedrillter Trupp und der entschlossene, couragierte Haufen, der von Soric
geführt wurde. Das waren die Besten, die »vordersten Fünf«, wie sie auch
genannt wurden. Kolea und Varl hatten beide das Verlangen, mit ihrem Trupp in
diesen illustren Kreis vorzudringen. Es war gut und schön, wenn man als solide
und verlässlich betrachtet wurde, aber das reichte beiden nicht. Im Gefecht kam
diese Rivalität zum Vorschein. Es half auch nicht, dass beide die epische
Schlacht um die Schreinfeste auf Hagia versäumt hatten. Sie hatten die Nachhut
gebildet und ihre Aufgabe hervorragend gelöst, aber sie hatten nicht an der
Schlacht teilgenommen und daher auch nicht ihren Wert unter Beweis stellen
können. Und so lief es jetzt darauf hinaus, den Teufel herauszufordern.
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