Gaunts Geister - Band 1-3
der Tanither. Als er sich
wieder hinter seine Deckung warf, um das Magazin zu wechseln, schaute Gaunt
zurück auf das nasse Häuflein, das sein bester Späher gewesen war. Krallen des
Elends gruben sich in ihn. Zum ersten Mal seit Khedd schmeckte der Kommissar
die beißende Sinnlosigkeit des Kriegs. Ein Soldat stirbt, und sein Kommandeur
hat die Pflicht, über dem Verlust zu stehen und sich zu konzentrieren. Aber
ausgerechnet Baru: der kluge, witzige Baru, ungeheuer beliebt bei den Männern,
der Clown und Spaßmacher, der unsichtbare Schleicher, der Treuste der Treuen. Gaunt
stellte fest, dass er den Leichnam nicht ansehen konnte, dieses zerfetzte
Häuflein, das bis eben noch ein Mann gewesen war, den er Freund genannt und dem
er über das Maß des normalen Vertrauens hinweg vertraut hatte.
Er nahm gar nicht zur Kenntnis,
dass die anderen Soldaten ringsum in die feindlichen Reihen feuerten. Abrupt,
als sei ein Hahn zugedreht worden, versiegte der Strom der angreifenden
Chaos-Anhänger. Larkin schoss weiter mit seinem langläufigen Karabiner, und
Rawne schickte Dornenpatrone um Dornenpatrone in die Dunkelheit. Dann herrschte
Stille und Finsternis abgesehen vom Knistern brennender Kleidung und dem
Fließen von Blut.
Fereyds Stimme erhob sich,
drängend und stark.
»Sie sind erledigt! Wir rücken
vor!«
Er ist zu eifrig, dachte Gaunt, zu begierig
... Und ich bin hier der Kommandeur. Als er sah, dass sich die anderen
Soldaten beeilten, Fereyd zu folgen, erhob er sich aus seiner Deckung.
»Halt!«, bellte er.
Alle drehten sich zu ihm um.
Fereyd blinzelte verwirrt.
»Wir machen es auf meine Art
oder gar nicht«, sagte Gaunt ernst, indem er zu Barus Überresten ging. Er
kniete vor ihnen nieder, nahm die tanithische Silberikone an ihrer Halskette
und zog sie über den Hemdkragen. Mit leisen Worten, die von Dorden, Larkin und
Mkoll mitgesprochen wurden, hielt er die Begräbnisriten der Tanither ab, eines
der ersten Dinge, die Milo ihn gelehrt hatte.
Rawne, Bragg und Caffran
senkten die Köpfe.
Domor saß unbehaglich
schweigend zusammengesunken da.
Gaunt erhob sich von dem
Leichnam, steckte das an einer Kette befestigte Medaillon wieder weg und sah
Fereyd an. Der Imperiale Taktiker hatte seine Männer mit gesenktem Kopf hinter
den Tanithern zu einer ernsten Ehrengarde antreten lassen.
»Ein guter Mann, Bram. Ein
echter Verlust«, sagte Fereyd mit Gewicht.
»Du wirst niemals erfahren, wie
gut«, sagte Gaunt, indem er in einer jähen Kehrtwende sein Lasergewehr aufhob
und dem Dickicht der toten Feinde entgegenging.
Er drehte sich um. »Mkoll! Zu
mir! Wir übernehmen gemeinsam die Spitze!«
Mkoll eilte zu ihm.
»Fereyd, deine Männer sollen
nach hinten sichern«, sagte Gaunt.
Fereyd nickte und zog seine
Soldaten an den Schluss der Kolonne zurück. Jetzt war die Reihenfolge Gaunt und
Mkoll, Bragg, Rawne und Larkin, Dorden mit Domor, Caffran und zuletzt Fereyd
und seine Leibwache.
Vorsichtig schritten sie an den
gefallenen Feinden vorbei und über sie hinweg und stellten fest, dass der
Tunnel steil in eine breitere Höhlung abfiel. Licht wie aus dem Bauch eines
Leuchtinsekts schien aus der Finsternis voraus und zeichnete die Umrisse eines
Türbogens nach. Sie rückten mit der Waffe im Anschlag vor, bis sie in seinem
Schatten standen.
»Wir sind da«, sagte Mkoll mit
Entschiedenheit.
Gaunt zog seine Datentafel aus
der Tasche und erwog, seinen tragbaren Geokompass zu Rate zu ziehen, aber
Mkolls Instinkte waren weitaus zuverlässiger als die kleine surrende Scheibe.
Der Kommissar betrachtete die Tafel und rief die verschlüsselten Informationen
mit einer Berührung des Daumenrads auf den kleinen Sichtschirm.
»Die Karte bezeichnet dies als die
Aedicula — als Schrein oder Ruhestätte. Dies ist der Brennpunkt der gesamten
Nekropole.«
»Und dort werden wir auch
dieses — Ding finden?«, fragte Mkoll finster.
Gaunt nickte und machte einen
Schritt in den erleuchteten Torbogen. Jenseits des bröckelnden schwarzen
Granits des Bogens erstreckte sich ein riesiges Gewölbe. Boden, Wände und Decke
waren allesamt aus einem opalisierenden Stein gefertigt, der in einem
unirdischen grünen Schein leuchtete. Gaunt blinzelte, da sich seine Augen erst
an den Schein gewöhnen mussten. Mkoll glitt hinter ihm hinein, dann Rawne.
Gaunt registrierte, dass ihr Atem Dampfwölkchen in der Luft bildete. Im Gewölbe
war es sehr viel kälter, und die Atmosphäre war klamm und schwer. Gaunt
schaltete seine nun überflüssige Lampe
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