Gaunts Geister - Band 1-3
ein
beharrliches Insekt wegwischte, sich mit einem Ohr Milos hastig vorgetragenen
Bericht anhörte und die Ausdrucke des Kom-Geräts und die Datentafeln überflog,
die der Junge ihm reichte. Gaunt richtete den Blick nach Westen. Rosa und
bernsteinfarbene Blitze wurden von den tiefen Nachtwolken im Westen reflektiert
wie ein falsches Morgengrauen und ab und zu vom kurzen, langsam herabfallenden
weißen Stern einer Leuchtkugel oder den grelleren weißen Blitzen eines
mächtigen Feldgeschützes verstärkt.
Gaunt brauchte weder Milo noch
die ausgedruckten Nachrichten, um zu wissen, dass die Großoffensive begonnen
hatte. Der Feind rückte vor, und zwar mit Macht.
Er befahl den Truppführern, die
Männer einzuweisen obwohl die meisten dies ohnehin bereits taten —, und
beorderte die ranghöchsten Offiziere zur taktischen Besprechung in den
Kommandostand. Milo bekam den Auftrag, ihm seine Mütze, Jacke und Waffen zu
holen.
Nach weniger als zehn Minuten
brachte Corbec Rawne, Lerod, Mkoll, Varl und die anderen Offiziere in die
Zentrale, wo Gaunt, mittlerweile in Uniform, die Ausdrucke auf dem Tisch
ausbreitete.
Es gab keine Vorreden.
»Raumaufklärung und vorgezogene
Späher melden, dass eine massierte Chaos-Kolonne durch dieses Gebiet nach Westen
marschiert.«
»Ziel?«, fragte Corbec.
Gaunt zuckte die Achseln. Das
war eine entwaffnende Geste von jemandem, der normalerweise so selbstsicher war.
»Unklar, Oberst. Wir rechnen seit Tagen mit einem Großangriff, aber der scheint
sich überhaupt nicht gegen unsere Stellungen zu richten. Erste Meldungen
besagen, dass der Feind durch ein Bataillon der Kaylen-Lanciers gebrochen ist —
tatsächlich wohl vernichtet hat. Aber ich habe den Verdacht, dass dies nur
geschehen ist, weil die Lanciers im Weg waren. Es ist so, als hätte der Feind
ein ganz eigenes Ziel, das er unbedingt erreichen will. Eines, von dem wir
nichts wissen.«
Mkoll sah sich die Tabellen
eingehend an. Er hatte das fragliche Gebiet in der vergangenen Woche gründlich
kartografiert. Sein scharfer taktischer Verstand konnte ebenfalls keinen
offensichtlichen Zweck in dem Angriff erkennen. Das sagte er auch.
»Könnte ihre Aufklärung versagt
haben?«, warf Varl ein.
»Vielleicht gilt ihr Angriff
Stellungen, von denen sie glauben, dass wir sie halten.«
»Das bezweifle ich«, antwortete
Mkoll. »Bis jetzt schienen sie sehr gut informiert zu sein. Trotzdem ist das
natürlich eine Möglichkeit. Wenn das stimmt, haben sie einen Großteil ihrer
Streitmacht aufgrund eines Irrtums eingesetzt.«
»Wenn es ein Irrtum ist, werden
wir ihn ausnutzen. Wenn sie einen finsteren und geheimen Zweck verfolgen, tun
wir uns keinen Gefallen, wenn wir warten, bis wir herausfinden, worum es sich
dabei handelt.« Gaunt hielt inne und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Außerdem«, sagte er, »sind
unsere Befehle eindeutig. General Thoth schickt uns auf Befehl von
Feldmarschall Bulledin persönlich vor, sobald wir bereit sind. Die Tanither
bilden einen Arm eines Gegenangriffs. Mindestens sechzigtausend Mann aus
verschiedenen Regimentern werden gegen den Feind aufgeboten. Wegen der
merkwürdigen, um nicht zu sagen verwirrenden Angriffsrichtung werden wir dem
Feind von der Seite begegnen. Die Geister werden einen etwa neun Kilometer
breiten Abschnitt abdecken.« Gaunt bezeichnete ihren Teil der neuen Front auf
der Karte, indem er mit seinem Wachsstift kleine Runen auf die Glasplatte
malte. »Ich will nicht zu selbstsicher klingen, aber wenn sie sich uns
irrtümlich von der Seite präsentieren oder ein ganz anderes Angriffsziel haben,
müssten wir in der Lage sein, eine Menge Schaden in ihrer Flanke anzurichten.
Thoth hat einen massierten Angriff befohlen, was die geliebten und frommen
Ordenshäuser gern den Fleischwolf nennen. Also stürzen wir uns auf ihre Flanke
und versuchen zumindest, ihre Formation aufzubrechen und Teile davon zu isolieren.«
»Bitte um Verzeihung,
Kommissar«, zischelte Rawnes Stimme durch die gedrängte Feuchtigkeit der
Zentrale wie eine kalte Bö.
»Die Tanither sind keine
schweren Truppen. Ein massierter Angriff, ohne unsere Stärken auszuspielen? Feth,
dabei werden wir alle draufgehen.«
»Korrekt, Major.« Gaunt
fixierte den Mann eindringlich. »Thoth hat den Regimentskommandeuren einen
gewissen Freiraum gelassen. Vergessen wir nicht, wie dicht das Unterholz und
der Dschungel da draußen sind. Die Geister können trotz allem ihre
Verstohlenheit und Schläue nutzen, um ganz nah an sie heran und
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