Gaunts Geister - Band 1-3
der
mich umbringt, wenn ich ihn kennenlerne. Ich muss ihn mir nicht schon im Voraus
ansehen.«
Milo gab Larkin das kostbare
Zielrohr zurück, der noch einen letzten Blick hindurchwarf und das Instrument
dann wieder in seinem Zugschnurbeutel verstaute.
»Genug gesehen, Larks?«, fragte
Corbec, dessen massige Arme sich oben am Rahmen festhielten, während sich sein
Bart in einem breiten Grinsen teilte.
»Genug gesehen, um zu wissen,
wohin ich zielen muss«, erwiderte Larkin.
Auf der vibrierenden Ladefläche
des Lastwagens drei Fahrzeuge weiter hinten spielte der Dritte Trupp Karten.
Soldat Feygor, ein gefährlicher, hagerer Mann mit zusammengekniffenen Augen,
hatte einem Mitglied des Administratums an Bord des Truppentransporters ein
vollständiges Tarotspiel abgekauft und spielte eine Partie Herz und Titan.
Soldat Brostin, massig, stämmig
und düster, hatte bereits so viel verloren, dass er bereit war, beim nächsten Spiel
seinen Flammenwerfer samt Brennstofftanks zu setzen.
Feygor, zwischen dessen spitzen
Zähnen eine dicke Zigarre klemmte, lachte über Brostins Verlegenheit und mischte
erneut die Karten.
Während er die großen
Pappkarten an die auf dem Gitterboden sitzenden Männer verteilte, zückten die
Männer vom Dritten Trupp Münzen, zerknitterte Geldscheine, Ringe und
Tabakrationen als Einsatz.
Soldat Caffran sah ihm beim
Austeilen zu. Caffran war klein, jung und entschlossen, nur zwei Jahre älter
als Milo, und hatte sich vor etwa einem Jahr beim Landeunternehmen vor Oskray
die Hochachtung aller verdient. Caffran spielte nicht gern Karten, aber in
Rawnes Trupp machte es sich bezahlt, wenn man sich nicht ausschloss.
Major Rawne saß am Ende der
Ladefläche mit dem Rücken an der Wand des Führerhauses. Er war der dritthöchste
Offizier der Tanither und berüchtigt für Wut, Arglist und Pessimismus. Corbec
hatte ihn schon mehr als einmal mit einer Schlange verglichen, sowohl äußerlich
als auch charakterlich.
»Wollen Sie mitspielen,
Major?«, fragte Feygor, indem er beim Austeilen innehielt.
Rawne schüttelte den Kopf. In
den letzten vierzig Tagen an Bord des Truppentransporters hatte er im Transit
reichlich an seinen Adjutanten verloren.
Jetzt konnte er den Krieg
riechen, und der Müßiggang des Spiels hatte seinen Reiz für ihn verloren.
Feygor zuckte die Achseln und
teilte weiter aus. Caffran hob sein Blatt auf und seufzte. Brostin nahm sein Blatt
auf und seufzte noch tiefer. Er fragte sich, ob Wollsocken als Einsatz zählen
würden.
Die Motorradfahrer umschwärmten
die Laster, die in rasender Fahrt ihrem Ziel entgegenstrebten. Sergeant Mkoll, Anführer
des Spähtrupps, kreuzte die Kolonne zwischen zwei Lastern und fuhr durch den
Straßengraben, um einen Blick auf die Makropole werfen zu können, die sich vor ihnen
aus dem Rauch schälte. Sie war groß, größer als alle Städte, die er je gesehen
hatte, und ganz sicher größer als die Festungsstädte von Tanith.
Er düste voraus, an den
Stabswagen des hiesigen Kommissariats vorbei, bis er die Kolonne auf der
ramponierten Schnellstraße in Richtung Hafen anführte.
Eine Salve von Granaten fiel
auf die Außenhabs im Osten.
Dorden, der ergraute, ältliche
Stabsarzt des Tanither-Regiments, reckte sich in die Höhe, um besser sehen zu
können. Brände, hell und gelblich, wurden unter den entfernten Explosionen
entfacht.
Der Laster fuhr durch ein Schlagloch,
und Dorden saß plötzlich auf dem Hintern.
»Wozu die Mühe?«, fragte Bragg.
»Wie bitte?«, versetzte der
Doktor.
Bragg rückte auf der Ladefläche
unbehaglich hin und her. Er war groß und massig, größer und massiger als
beliebige zwei andere Geister zusammen. »Wir kommen früher oder später dort an.
Sterben dort früher oder später. Wozu die Mühe, sich den Hals zu verrenken, um
einen Blick auf unser Verhängnis zu werfen?«
Dorden sah den Riesen an.
»Ist das Glas halb voll oder halb
leer, Bragg?«, fragte er.
»Welches Glas?«
»Ein hypothetisches Glas. Halb
voll oder halb leer?«
»Ja, aber von welchem Glas
reden wir?«
»Von einem imaginären.«
»Was ist drin?«
»Das spielt keine Rolle.«
»Für mich schon«, erwiderte
Bragg achselzuckend.
»Ich ... Also gut, na schön ...
In dem Glas ist Sacra. Halb voll oder halb leer?«
»Wie viel Sacra?«, fragte
Bragg.
Dorden öffnete den Mund,
einmal, zweimal, dann ließ er sich wieder zurücksinken. »Spielt keine Rolle.«
Bragg zückte eine Trinkflasche.
»Da ist Sacra drin«, verkündete
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