Gaunts Geister - Band 1-3
ganzes Stück weiter-fahren — neben dem Gleis betete Domor, dass er
nicht den ganzen Zug über die Unterbrechung im Stromkreis hinwegtragen möge,
denn in diesem Fall würde er einfach weiterfahren —, aber schließlich hielt er
doch gänzlich an, wobei er auf dem Suspensorfeld sanft hin und her schaukelte.
Die Männer jubelten.
»Aufsteigen! So schnell ihr
könnt!«, befahl Gaunt und führte die Kompanie vorwärts.
Vitrianer und Tanither
kletterten auf die mit Artilleriegranaten beladenen Waggons, suchten sich einen
Halt für Hände und Füße, verstauten ihre Waffen und reichten Kameraden die
Hand, um sie nach oben zu ziehen. Gaunt, Zoren, Milo, Bragg und sechs Vitrianer
stiegen vorne mit Mkoll, Curral und Domor, der immer noch das Ende des
Stoffseils in der Hand hielt, auf den ersten Wagen.
»Gute Arbeit, Soldat«, sagte
Gaunt zu dem lächelnden Domor und hob eine Hand, während er nach hinten
schaute, um sich zu vergewissern, dass alle aufgestiegen waren und sicheren
Halt gefunden hatten. Kurz darauf war die gesamte Kompanie an Ort und Stelle,
und entsprechende Signale wurden nach vorn weitergegeben.
Gaunt ließ die Hand sinken.
Domor riss an dem Stoffseil. Es wurde straff, widersetzte sich seinem Zug, kam
dann plötzlich frei und riss Zorens Uniformjacke unter dem Wagen hervor wie
eine große Flunder an einer Angelschnur.
Kaum war der Stromkreis wieder
geschlossen, als sich der Zug mit einem jähen Ruck erneut in Bewegung setzte und
rasch Geschwindigkeit aufnahm. Die Lichtkugeln in den Tunnelnischen huschten
stroboskopartig vorbei.
Domor hielt sich sorgfältig
fest, während er sein improvisiertes Seil löste und Zoren die Jacke zurückgab.
Teile des Glasstoffs waren matt und durch den Kontakt mit der Schiene
geschmolzen, aber insgesamt war die Jacke noch intakt.
Der Vitrianer zog sie sich mit
einem ernsten Nicken wieder an.
Gaunt starrte nach vorn in den
Tunnel, durch den sie rasten. Er öffnete seinen Gürtelbeutel und holte frische
Munition für seine Boltpistole heraus. Das sechzigschüssige Magazin war mit
einem blauen Kreuz für Inferno-Munition gekennzeichnet. Er legte es ein und
aktivierte dann sein Helmkom.
»Achtung, Waffen bereithalten.
Wir fahren direkt in die Hölle und können jeden Augenblick ankommen. Auf
unmittelbare Kampf-handlungen vorbereiten. Der Imperator mit uns allen.«
Im ganzen Zug jaulten
Lasergewehre, als sie eingeschaltet wurden, Werfer klickten, Plasmabatterien
summten in brodelnder Bereitschaft, und Flammenwerfer wurden gezündet.
9
»Los«, sagte Caffran und kroch
die Seite des stinkenden Granattrichters empor, der einen knappen Tag lang ihr
Zuhause gewesen war.
Zogat folgte ihm. Sie
blinzelten in das Licht des frühen Morgens.
Das Bombardement dauerte immer
noch an, und Rauch- und Nebelschwaden zogen über das Niemandsland.
»Wohin?«, fragte Zogat, der
Mühe hatte, sich in dem Rauch und dem Licht zu orientieren.
»Nach Hause«, sagte Caffran.
»Weg vorn Antlitz der Hölle,
solange wir noch können.«
Sie stapften durch den Schlamm
und stolperten über Draht und verbogene Betonsplitter.
»Meinst du, es sind nur noch
wir zwei übrig?«, fragte der Vitrianer mit einem Blick zurück auf die
Feuerwalze.
»Das wäre möglich, das wäre
sogar gut möglich. Und damit wäre ich der letzte Tanither.«
Die Panzer der Jantiner stießen
zu den Shriven-Stellungen hinter dem Bombardement vor, doch auf ihrem mehr als
zwei Kilometer langen Vormarsch war ihnen nichts begegnet.
Die alten Fabrikanlagen waren
leblos und verlassen.
Flense ließ die Kolonne
anhalten und öffnete das Turmluk, um sich das vor ihnen liegende Gebiet durch
den Feldstecher anzusehen. Die Ruinen der leeren Gebäude standen wie Phantome
im Nebel herum. Ein unablässiges Trommeln war zu hören, das an seinen Nerven
zerrte.
»Halten Sie auf die Berge zu«,
sagte er zu seinem Fahrer, als er das Luk wieder geschlossen hatte. »Wenn es
uns auch nur gelingt, ihre Batterien zum Schweigen zu bringen, haben wir schon
ein Ruhmeskapitel geschrieben.«
Vier Kilometer, fünf, vorbei an
leeren Bahnhöfen und unbeleuchteten Verladebuchten. An einer Gleisgabelung nach
links, dann noch einmal nach links und dann eine Pause von drei Minuten, als
sie voller Anspannung warteten, da sich ein weiterer Munitionszug aus einem
anderen Tunnel vor sie setzte. Dann fuhren sie wieder.
Die Spannung hüllte Gaunt ein
wie eine Zwangsjacke. Ein Tunnel sah aus wie der andere, und es gab keine Kennzeichen
oder
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