Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
Vom Netzwerk:
ganze Klassen neuer Objekte miteinander verknüpft werden können. So lassen sich die Unbekannten aus zwei quadratischen Formen miteinander kombinieren und in eine dritte quadratische Form hineinschreiben. Gauß schafft jetzt die Voraussetzungen für die systematische Verallgemeinerung dieser Möglichkeit. Das ist das entscheidend Neue.
    Nach ausgiebiger Untersuchung des Materials entwirft er ein neues Klassifizierungssystem, führt neue Termini ein und nimmt eine Neubewertung mancher Beziehung zwischen den Zahlen * vor. Mit diesem Geniestreich revolutioniert er die Zahlentheorie so gründlich, dass zeitgenössische und künftige Mathematiker die Geschichte der Arithmetik in die Ära vor und nach Gauß einordnen.
    Er widmet das Werk seinem Fürsten. Und in der Tat hat er es ja dem spendablen Herzog zu verdanken, dass er sein revolutionäres Werk nun endlich gedruckt in den Händen hält. So bleibt es ihm erspart, etwa als Hauslehrer künftiger Gräfinnen und Barone zu versauern und seine außergewöhnliche Begabung an kleinlichen Broterwerb zu verschwenden. Als Ausgleich für dieses seltene Privileg möchte er sich im unbezahlten Ehrenamt eines «Redakteurs für Volkszählungen, Sterbe- und Geburtsregister» nützlich machen. Obendrein auch noch «zu meinem Vergnügen und zur Satisfaktion» [Bim 3 : 65]. Wer also die Bearbeitung statistischer Zahlenkolonnen als heiter stimmendes Freizeitvergnügen und die Berechnung von Logarithmentafeln als «poetisches Anliegen» betrachtet, muss schon, vorsichtig formuliert, ein außerordentlich inniges Verhältnis zum Rechnen haben. Und was tut so ein Genie, um sich abzulenken und zu zerstreuen? Richtig, es rechnet. Jetzt aber wirklich nur zum Vergnügen. Schließlich gibt es noch die eine oder andere freizeittaugliche terra incognita, deren Urbarmachung und Kultivierung Geschicklichkeit und Ausdauer verlangt. Also großen Spaß macht. Primzahlen abzählen zum Beispiel. Selbstverständlich in griechischen «Chiliaden» – in Tausenderreihen. Und im Kopf natürlich. Denn wäre es nicht unverzeihlich, eine Viertelstunde der Muße verstreichen zu lassen und womöglich die Chance zu verpassen, eine neue Primzahl zu entdecken? Ein fahrlässig entgangener Lustgewinn, zumal sich diese Einzelgänger mit zunehmenden Chiliadenreihen immer seltener die Ehre geben, sodass eine unerwartete Begegnung einen umso größeren Reiz verspricht.
    Auch in unseren Tagen, gut zweihundert Jahre später, gehören die Erkenntnisse der Arithmetischen Untersuchungen noch immer zum Lehrkanon der mathematischen Fakultäten. Und seit immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte über das Internet abwickeln, ist ein wichtiger Bestandteil dieser einflussreichen Arbeit, nämlich der Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, zur Grundlage der Verschlüsselungstechniken für die «sicheren» Server von Banken, Auktionshäusern und Versandgeschäften geworden.

6. Cherchez la femme … Ceres, Pallas, Johanna
    Im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung schreibt Claudius Ptolemäus, ein griechischer Mathematiker und Astronom, in Alexandria sein dreizehnbändiges Werk Almagest . Es ist ein bedeutender Beitrag zur angewandten Mathematik in der Astronomie. Ptolemäus ermittelt exakte Daten für Sonnen- und Mondfinsternisse und entwickelt geometrische Verfahren, um die Entfernung der Erde von Sonne und Mond wenigstens annähernd zu bestimmen. Die Erde steht im Mittelpunkt des Universums. Als Ursache für die Bahnen der Himmelskörper nennt er den göttlichen «Ersten Beweger». Im ptolemäischen Weltbild lassen sich zwar die Positionen der Planeten erstaunlich präzise vorhersagen. Damit allerdings die tatsächlichen Beobachtungen und Berechnungen mit dem Idealbild der kreisförmigen Umlaufbahnen in Einklang kommen, müssen Sonne und Planeten in einer komplizierten Anordnung Dutzender Bahnen und in einem veritablen Netzwerk von Umleitungen und Nebenstrecken verkehren. Nach Stephen Hawkings drastischer Veranschaulichung musste Ptolemäus von der Voraussetzung ausgehen, «dass der Mond einer Bahn folgte, die ihn manchmal doppelt so nahe an die Erde heranführte wie zu anderen Zeiten. Das wiederum bedeutete, der Mond müsste manchmal doppelt so groß erscheinen wie sonst» [Haw: 16]. Aber selbst der geniale Mathematiker in Alexandria nimmt lieber ein solches Paradoxon in Kauf, als die liebgewordene Vorstellung von kreisförmigen Planetenumlaufbahnen zu überdenken. 1300 Jahre lang bleibt der ptolemäische Entwurf das

Weitere Kostenlose Bücher