Gayheimnisse reloaded (German Edition)
Norman sich aus seiner Umarmung wand und seine Kapuze tief ins Gesicht zog. Er war schneller verschwunden, als Duncan ihn in die Ecke gezogen hatte.
Duncan zog ebenfalls die Kapuze tief in die Stirn und versuchte, seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Dann folgte er Master Jerome in einigem Abstand.
Erst als er die Tür hinter sich schloss und Master Jerome gegenüberstand, erhob dieser seine Stimme. Es gab nur zwei Gründe, warum Jerome das Schweigegelübde brach: wenn er einen Auftrag vergab oder wenn er eine Bestrafung aussprach. Duncan hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, daher wartete er jetzt auf einen neuen Auftrag.
3
Er folgte dem jungen Mann bis zu einer Wohnung in einem heruntergekommenen Haus. Eine üble Gegend war das hier, die Straßen waren kaum befestigt. Man musste aufpassen, dass man nicht in eines der großen Löcher fiel oder auf dem schlammigen Untergrund ausrutschte. Die Heimat der Diebe und anderer düsterer Gesellen. Aber niemand hier war so böse, dass Duncan sich hätte fürchten müssen. Er war mit Abstand die größte Gefahr für jeden, der sich an diesem Abend auf die Straße wagte.
Er huschte auf die andere Straßenseite, ein schwarzer Schatten, und öffnete die Tür, die mit einem unwilligen Knarren aufsprang.
Kurz orientierte er sich in der Dunkelheit, die ihn umfing. Eine schmale, morsch wirkende Holztreppe führte nach oben. Duncan horchte. Kein Zweifel, oben waren Schritte zu hören. Sein Opfer war dort. Er wartete noch einen Moment. Außer den Geräuschen, die von oben kamen, war nichts zu hören. Nicht einmal das Huschen der Mäuse, die mit Sicherheit anwesend waren. Auch sie hielten den Atem an. Duncan lächelte schmal. Er war noch immer ein wenig verärgert, weil er bei Norman nicht zum Zuge gekommen war. Aber Jeromes Anordnungen standen über allem.
Ohne Hast erklomm er die Treppe und stieß die Tür zu der kleinen Absteige auf. Der junge Mann, den er verfolgt hatte, wirbelte herum. Selbst beim Schein der Kerze sah Duncan das Erkennen in den groß aufgerissenen Augen. Hastig flitzte der Blick des Mannes hin und her, aber aus dieser Falle gab es kein Entrinnen. Die Fenster waren viel zu schmal, noch dazu geschlossen, als dass sie als Fluchtweg getaugt hätten.
Abgesehen davon wäre Duncans Messer immer schneller gewesen. Er zog es deutlich sichtbar aus dem weiten Ärmel seiner Kutte, während er sein Opfer musterte. Der Mann war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, schmal, mit einem hübschen Gesicht. Für Duncans Geschmack etwas zu weiblich, aber er empfand doch ein wenig Wehmut, diese Schönheit zu vernichten. Es war ja nicht so, als wäre er blind gegenüber schönen Dingen. Er war auch nicht abgestumpft, was Emotionen betraf. Aber natürlich war die stärkste Emotion, mit der er konfrontiert wurde, die Angst.
So auch bei seinem Opfer, Marc Lobó.
»Hat Vittorio tatsächlich euch auf mich angesetzt?«, fragte der junge Mann leise. Er wusste offensichtlich, mit wem er es zu tun hatte.
Duncan sah die Furcht in Marcs Bewegungen, er hörte die Panik in der weichen, gut modulierten Stimme. Aber das kannte er – natürlich. Doch plötzlich wurde Marc ganz ruhig.
Langsam kam er näher. Duncan überlegte, was er wohl wollte. Doch er sah keinen Grund, ihn zu hindern. Er würde ohnehin sterben, denn niemand entkam Duncan McLeod. Der junge Mann stand nun direkt vor ihm.
»Wenn ich schon sterben soll, dann möchte ich wenigstens sehen, wer mich umbringt.« Ein letzter Schritt, dann griff Marc nach Duncans Kapuze und schlug diese mit einer Bewegung nach hinten. Duncan ließ ihn gewähren. Er war nicht einmal überrascht über Marcs erstaunten Gesichtsausdruck.
»Ich hätte nie geglaubt, dass der Tod so ein schönes Gesicht hat«, flüsterte Marc, und es klang betroffen.
Schön und tödlich, das war doch eine gute Mischung, dachte Duncan. Doch irgendetwas stimmte nicht. An diesem Auftrag war etwas anders als sonst.
»Habe ich noch einen Wunsch frei?«, fragte Marc leise, aber mit fester Stimme.
Duncan ließ seinen Blick über den jungen Mann gleiten. Ob er sich tatsächlich all die Dinge hatte zu Schulden kommen lassen, derer er bezichtigt wurde? Er wirkte unschuldig, was wahrscheinlich an seinen feinen Gesichtszügen lag.
Duncan nickte langsam. Er bemerkte sehr wohl, dass Marc ihn anstarrte. Er war wie geblendet von Duncans Aussehen, vielleicht konnte er sich nicht vorstellen, dass dieser Mann sein Todesurteil bedeutete.
Marc begann langsam seine
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