Gayheimnisse reloaded (German Edition)
vollständig aus Ihrem Gehirn entfernt werden. Bleiben Sie noch einen Moment still liegen, Nummer 87. Sie waren nur eine halbe Stunde mit dem Computer verbunden, es müsste also schnell gehen.«
Ein Schauder durchlief Joshs Körper, der nicht durch das Entfernen der Flüssigkeit hervorgerufen wurde, sondern durch die unglaubliche Behauptung, dass er ein gutes halbes Jahr in nur einer halben Stunde durchlaufen haben sollte. Der Mediziner sprach weiter, scheinbar um Josh zu beruhigen. Joshuas Gedanken jedoch wurden von Erinnerungen an Isaac dominiert. Ein paar Minuten noch, dann würde der Mann, den er liebte, gemeinsam mit der Leitflüssigkeit aus seinem Gehirn verschwinden wie Badewasser, das durch einen Abfluss gesaugt wurde.
»Die Erinnerungen an die Reise werden in Ihrem Gehirn verbleiben. Dieser Vorgang beeinträchtigt Sie nicht, doch auf Wunsch können diese geistigen Daten auch gelöscht werden. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
Josh hörte die Stimme und er war irritiert, denn das war nicht die Stimme seines Mediziners. Er öffnete die Augen und fand sich in dem Raum wieder, in dem er sich scheinbar vor Monaten auf eine Liege gelegt hatte. Sein Arzt überwachte einen Monitor und schien zufrieden mit dem Abfluss der Leitflüssigkeit. Joshua wandte den Kopf, um zu sehen, wer ihm hier wenigstens das Geschenk gemacht hatte, die Erinnerungen an Isaac in seinem Geist bewahren zu dürfen, als er bemerkte, dass er gar nicht der Angesprochene gewesen war. Auf der Liege neben ihm setzte sich ein Mann auf und seine Stimme klang vertraut. »Ich möchte meine Erinnerungen behalten. Um nichts in der Welt möchte ich sie löschen lassen.«
Als der Mann neben ihm Joshuas Blick bemerkte, wandte er sich zu ihm um. Die warmen braunen Augen spiegelten gleichsam Unglauben und unendliche Freude wider. »Josh?«, fragte er atemlos, dann wiederholte er: »Joshua? Du bist real? Du bist hier!« Er sprang von der Liege und Josh lachte, als Isaac seinen Kopf umfasste und ihn wie von Sinnen küsste. Die Mediziner beäugten die Szene mit hochgezogener Augenbraue. Heiser flüsterte Isaac: »Ich dachte, du würdest nur zu dem Programm gehören, das ich durchlief. Ich bin fast gestorben, als ich mich in dieser verdammten Küche plötzlich in dem Strudel wiederfand, der mich zurückziehen würde. Ich verfluchte mich, weil ich dich aus den Augen gelassen hatte, aber es war schon zu spät.«
»Nichts ist zu spät«, erwiderte Joshua glücklich, »und ich bin so unendlich froh, dass du nicht nur ein Schwarm Daten in meinem Gehirn warst! Ein halbes Jahr … ein halbes Jahr lang habe ich geglaubt, du seist nicht real!«
Der Mediziner, der sich um Isaac kümmerte, räusperte sich und sagte: »Würden Sie sich bitte für die abschließende Untersuchung wieder auf die Liege legen!«
Auch Joshs Arzt bat seinen Patienten auf die Liege zurück, während er die Daten des Computers an eine Schnittstelle weiterleitete.
Josh hörte die Stimme des Mediziners, der ihm knapp erläuterte, dass es Ziel der Studie sei, Gefühle der Lust unter verschiedenen Bedingungen zu ergründen. In seinem Falle habe ihn das Programm in eine karge Umgebung versetzt, in der seine ganze Aufmerksamkeit auf den einzigen potentiellen Partner gerichtet wurde. In einer möglichst naturbelassenen Welt sollte erforscht werden, wie Annäherung und Intimität Raum im menschlichen Denken einnahm und was blieb, wenn alle technologischen Annehmlichkeiten und äußeren Einflüsse fehlten. »Naturbelassene Welt«, erwiderte Josh und seufzte, »ja, so könnte man es wohl nennen. Wenngleich es wohl ein Paradoxon ist, dass diese natürliche Welt von einem Computer erschaffen wurde. Aber was blieb, ist zweifelsohne genau das, was wichtig ist … das Einzige , was wirklich wichtig ist!«, bekräftigte Josh mit einem liebevollen Blick zum Mann auf der Nachbarliege.
Der Mediziner lächelte knapp und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Josh ahnte, dass er die genauen Auswertungen nie zu Gesicht bekommen würde, aber das spielte keine Rolle. Er war zurück in seiner Welt, und mit Isaac an seiner Seite schien sie ihm plötzlich aufregend und voller unentdeckter Verlockungen zu sein. Er wusste, dass es egal war in welcher Welt er lebte, solange er den Mann, den er liebte, an seiner Seite wusste.
Josh schloss die Augen, als der Mediziner dafür sorgte, dass sein Chip beim Verlassen des Gebäudes wieder aktiviert würde. Neben ihm wurde auch Isaac auf die Wiederaktivierung seines Chips
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