Gayheimnisse reloaded (German Edition)
Semester an der Universität Tokio absolvierte und sich angeregt mit ihrer Freundin Tsu unterhielt. Beide Mädchen trugen knallige bunte Zöpfe, was diesen Sommer „in“ war, wie man ihm erklärt hatte. Eilig schloss er zu ihnen auf, doch als Miyuki ihn bemerkte, wandte sie sich plötzlich ab und tauchte in einer Traube aus Studenten unter, die es zu dem Hauptgebäude trieb. Florian legte noch einen Schritt zu, rief ihr hinterher, aber Miyuki reagierte nicht. Merkwürdig. Hatte sie ihn nicht gehört oder ging sie ihm ganz bewusst aus dem Weg? Er hielt inne, um sich einen Überblick zu verschaffen, als plötzlich etwas an seinem Ärmel zupfte. Florian blickte an sich hinunter und entdeckte Tsu, die gerade mal bis zu seiner Schulter reichte und ihn verschämt anlächelte. Tsu interessierte sich für ihn, dass hatte ihm Makoto erzählt. Ihm war das ein wenig unangenehm. Er fand sie nett, süß sogar, aber er erwiderte ihre Gefühle nicht, was Tsu allerdings trotz aller Andeutungen geflissentlich ignorierte.
„ Miyuki hat es eilig, sei ihr nicht böse“, erklärte sie und begleitete ihn ein Stück. Es war klar, dass sie ihre Freundin in Schutz nahm. Für Florian hatte es aber nicht nach Eile, sondern nach Flucht ausgesehen.
„ Schon okay. Sag mal, weißt du wo Makoto ist?“ Tsu und Miyuki teilten alle Geheimnisse. Was Miyuki wusste, wusste also auch Tsu.
Deren Gesicht wurde mit einem Mal sehr ernst und das verstärkte seine Sorgen nur noch mehr. Hoffentlich war ihm nichts zugestoßen. Ein Unfall? Eine schlimme Krankheit? Nur warum wollte Miyuki dann nicht mit ihm sprechen?
„ Sag es mir.“ Er hielt Tsu an der Schulter fest. „Bitte.“ Es war ihm unendlich wichtig. Er musste ihn noch einmal sehen, bevor er Anfang nächster Woche in den Flieger stieg.
„ Er ist sehr traurig“, erklärte Tsu.
„ Traurig? Aber warum?“
„ Wegen dir.“
Ihre Worte lösten ein seltsames Prickeln in seinen Wangen aus. Rasch wischte er sich mit beiden Händen über das Gesicht. Es fühlte sich heiß an, als würde es glühen.
„ Miyuki war deswegen böse auf ihn. Er hat ihr gesagt, dass er dich sehr mag und gern bei dir wäre. Aber das geht nicht."
"Wieso denn nicht?", entfuhr es Florian, dessen Herz sich nach dieser Offenbarung zu überschlagen drohte. Die ganze Zeit über hatte er sich zu Makoto hingezogen gefühlt, nun zu hören, dass es seinem Freund genauso ergangen war, ließ einen Schwarm Schmetterlinge durch seinen Bauch flattern.
"Vergiss es einfach, ich hätte das nicht sagen dürfen."
"Nein, das war gut so! Ich muss mit ihm reden. Jetzt noch dringender! Bitte sag mir, wo ich ihn finden kann. Er ist nicht zu Hause, er ist nicht an der Uni, ich weiß nicht, was ich noch tun soll."
Tsu druckste herum, presste ihre Lehrbücher gegen ihre Brust und wich immer wieder seinem Blick aus. Es war offensichtlich, dass sie mehr wusste, als sie zugab. Da zog Florian ein Stück Papier aus seiner Mappe und kritzelte eine Nachricht in Englisch darauf, weil er sehr aufgeregt war und es schnell gehen musste. Er faltete das Papier und reichte es Tsu.
"Dann tu mir wenigstens einen Gefallen. Gib das Makoto. Er soll selbst entscheiden, ob er mich sehen will."
***
Der Hibiya Park lag im Bezirk Chiyoda. Im Frühjahr hatte Makoto ihn dorthin mitgenommen, um ihm die Blütezeit der Yoshino-Kirschbäume zu zeigen. Es war eine Augenweide gewesen. Mitten in der Stadt war ein rosa Meer erblüht. An diesem Tag hatten sich ihre Hände ganz zufällig gestreift, doch vielleicht, dachte Florian nun im Nachhinein, war es gar kein Zufall gewesen. Jedenfalls gab es wohl kaum einen besseren Treffpunkt als diesen, den er hätte wählen können. Heute Nacht sah der Park allerdings ganz anders aus als vor ein paar Monaten noch. Düster. Unheimlich.
Nervös lief Florian auf und ab, blickte immer wieder auf seine Armbanduhr und hoffte, dass Makoto seine Nachricht gelesen hatte und sich einen Ruck gab. Vielleicht machten ihm die Gefühle, die er entdeckt hatte, Sorgen? Florian konnte das verstehen. Als er gemerkt hatte, dass er schwul war, war er auch ein wenig durcheinander gewesen. Zumal seine Mutter schon sehr früh von einer möglichen Schwiegertochter fantasiert hatte. Nach seinem Coming-out hatte sie jedoch offen reagiert, vielleicht war das in Japan anders? Er musste an Miyukis seltsame Reaktion denken.
Sein Blick schweifte über die Straße, hin zu dem wunderschön angelegten Park. Da meinte er plötzlich eine Bewegung im Dunkeln zu
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