Gayheimnisse reloaded (German Edition)
sehen. Da war jemand! Er bewegte sich ins Licht der Laterne, doch nur kurz, und jetzt glaubte Florian die Gestalt zu erkennen, die ein wenig kleiner war als er selbst. Schwarze, ohrlange Haare hingen dem Mann ins Gesicht. Er wirkte gehetzt. So als hätte er sich sehr beeilt an diesen Ort zu kommen. Makoto! Ein zentnerschwerer Stein fiel ihm vom Herzen. Rasch hob er die Hand, um seinem Freund ein Zeichen zu geben, doch im selben Moment war er wieder in der Dunkelheit des Parks verschwunden.
Was zum Geier …? Florian verstand die Welt nicht mehr. Wieso waren plötzlich alle wie ausgewechselt? Langsam hatte er genug davon. Er wollte endlich wissen, was hier gespielt wurde. Entschlossen rannte er Makoto nach, doch weit kam er nicht. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine alte Japanerin vor ihm auf, genau an der Stelle, wo zuvor Makoto gestanden hatte. Mit einem strengen Gesichtsausdruck schüttelte sie den Kopf. „Geh nicht hinein“, warnte sie ihn mit einem eigenartigen Akzent, der vermutlich aus einer nördlichen Region stammte. „Dies ist die Nacht der Yokai! Geh nach Hause. Dort bist du sicher.“
Yokai? Das waren japanische Dämonen. Makoto hatte oft von ihnen gesprochen, weil er im Gegensatz zu Florian an ihre Existenz glaubte.
„ Ich suche meinen Freund, er ist in den Park gelaufen", erklärte er ungeduldig. Er wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Als die Frau das hörte weiteten sich ihre Augen. Sie wirkte erschrocken, sogar unruhig. "Das ist schlimm", sagte sie ernst. "Die Yokai werden das nicht gutheißen."
"Ja, ja. Sicher." Er wollte sich an ihr vorbei schieben, doch die Frau hielt ihn am Handgelenk zurück und das mit einer Kraft, die er ihr niemals zugetraut hätte. "Es ist wichtig, dass du ihn findest. Aber du musst auf der Hut sein." Sie nahm seine Hand und legte ihm etwas hinein. Als er die Faust öffnete, sah er einen glänzenden Anhänger, der in allen Farben leuchtete.
„ Er wird dich beschützen“, sagte sie. Ein Regentropfen setzte sich auf seine Stirn. Auch das noch!
Florian glaubte auch nicht an die Wirkung von Talismanen, aber der Alten zuliebe hängte er sich den Stein um, und sie ließ endlich von ihm ab. Eilig lief er den Weg hinunter, passierte einen Runenstein und blieb dann erstaunt stehen. Die Bäume wuchsen dichter, als er es in Erinnerung hatte. Schon nach ein paar Schritten konnte er die Häuser hinter sich nicht mehr erkennen. Auch der Weg, der zum Teich führte, war verschwunden. Irritiert ging er weiter, immer tiefer in das dunkle Dickicht hinein.
Mit einem lauten Heulen trieb der Wind die mächtigen Baumkronen hin und her, warf die Wipfel von einer Seite zur anderen, während der Regen ohne Unterlass auf die ausgetrocknete Erde niederprasselte, die jeden Tropfen begierig aufnahm. Das Laub raschelte wild, mächtige Äste streckten sich dem nachtschwarzen Himmel entgegen, als versuchten sie die dunklen Wolken fortzuschieben, welche den Mond verdeckten. Florian stolperte durch das Unterholz, mit einem Mal fühlte er sich beobachtet. Es war, als hätten die Bäume Augen und Ohren bekommen. Er geriet über eine riesige, knorrige Wurzel ins Straucheln und hielt sich an der krustigen Rinde eines gewaltigen Stammes fest, um einen Sturz zu verhindern. Der Stoff seiner Jacke sog die Feuchtigkeit auf und klebte förmlich an seiner Haut. Hoffentlich würde es kein Gewitter geben. Der Untergrund war jetzt schon so rutschig, dass er kaum stehen konnte. Vorsichtig ging er weiter, lauschte dem gleichmäßigen Trommeln der Regentropfen, die rhythmisch gegen das Blätterdach schlugen. Die kühlen Perlen setzten sich auf seine heiße Haut, wo sie verdampften.
Suchend blickte er sich um. Überall standen diese riesigen Bäume, die er bei Tageslicht nie bemerkt hatte. Ein endloses Meer. Aber keine Spur von Makoto. Er war allein. Enttäuscht hielt er inne. Das hatte alles keinen Sinn. Makoto wollte offenbar nichts mit ihm zu tun haben, und Florian wollte jetzt nur noch in sein warmes Bett.
Entschlossen kehrte er um, doch er wusste nicht mehr, aus welcher Richtung er gekommen war. Wohin er blickte, es sah überall gleich aus. Die Bäume versperrten ihm die Sicht. Plötzlich hörte er ein seltsames Knacken hinter sich. Es klang, als würde jemand auf einen dünnen Ast treten, der unter dem Gewicht von Schuhwerk zerbrach. Erschrocken fuhr er herum und blickte in die Dunkelheit, die sich hinter ihm wie eine Wand ausbreitete.
„ Makoto?“, rief er hoffnungsvoll.
Niemand
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