GB84: Roman (German Edition)
Noch mehr Vergeltung. Und viel, viel mehr Entschlossenheit –
Zu gewinnen, zu gewinnen und wieder zu gewinnen.
Der Jude weiß, sie brauchen ein besseres Gesicht für die Öffentlichkeit. Keine Plastiktüten über den Köpfen –
Neil Fontaine bringt ein Videoband nach dem anderen aus dem Büro in den Sitzungssaal. Der Jude und Tom Ball schauen sich ein Band nach dem anderen an. Sie suchen nach dem Richtigen. Nach einem öffentlichen Gesicht. Einem Alleskönner. Und schließlich finden sie ihn –
Den Papagei, der als Letzter blinzelt. Den Papagei, der am meisten lächelt –
Der Jude schickt Neil in den Norden, um ihren Alleskönner herbeizuholen –
Neil ergreift sofort die Chance. Den Hauch einer Chance.
Terry Winters und Mohammed Divan hatten in Frankfurt umsteigen müssen. Sie hatten in der Flughafenhalle gesessen. Die englischen Zeitungen waren voll von Berichten über Beschlagnahmungen, über den Abbruch der neuesten Gespräche. Über die Unnachgiebigkeit des Präsidenten. Die Beharrlichkeit des Vorsitzenden. Terry Winters und Mohammed Divan waren sich einig gewesen, dass der Streik noch dauern und die Gewerkschaft die nötigen Geldmittel schon erhalten würde. Terry und Mohammed hatten sich gegenseitig zu einem guten Job gratuliert. Sie hatten ihr Flugzeug nach Manchester bestiegen, hatten sich ein Taxi vom Flughafen zur Victoria Station geteilt. Dann waren die beiden ihrer Wege gegangen. Terry hatte im Zug nach Sheffield Arabisch gelernt. Er wollte sie alle mit seinen Geschichten und Geheimnissen aus Tarabulus al-Gharb überraschen. Er hatte sogar schon überlegt, auf direktem Weg ins Büro zu gehen. Aber er wollte auch Theresa und die Kinder sehen. Er hatte sie vermisst, er wünschte sich, sie wären bei ihm gewesen, hätten gesehen und getan, was er gesehen und getan hatte. Terry hatte ein Taxi zu seinem Haus genommen. Das Haus war dunkel gewesen, die Vorhänge waren nicht geschlossen. Terry hatte das Taxi bezahlt, war die Einfahrt hinaufgegangen und hatte den Schlüssel schon im Schloss und einen Fuß in der Tür gehabt, als zwei Männer aus dem Schatten getreten waren und ihn gefragt hatten: »Möchten Sie einen Kommentar zu den Berichten abgeben, dass Sie gerade von einem Treffen mit Colonel Gaddafi in Libyen zurückgekehrt sind? Dass Sie vom Präsidenten der NUM dorthin geschickt wurden? Und dass Sie dort Geld und Waffen für den Kampf gegen die Regierung beschaffen sollten? Wollen Sie sich zu diesen Berichten äußern, Mr. Winters? Wollen Sie sich äußern, Mr. Winters? Genosse?«
Neil Fontaine sitzt auf der Kirchenbank, senkt den Kopf und spricht ein Gebet –
Nur das eine
–
Bring sie zurück. Für immer.
Er verlässt St. Pancras und fährt wieder in den Norden –
Außerplanmäßige Verzögerungen in der langen dunklen Nacht des Nordens –
Doch seit der Bombe sagt niemand mehr etwas. Niemand geht ans Telefon
.
Also muss Neil allein in der langen dunklen Nacht des Nordens suchen –
Die üblichen Geister. In den üblichen Verstecken
.
Neil hört das Orchester der Gespenster, Polizeifunk, Kanal 1 –
Walzer für die Verwundeten. Lamentos für die verlorene Liebe. Schwermütige Songs der Sünde
.
Neil Fontaine verlässt die M18 und nimmt die A630 nach Armthorpe –
Der Streik ist heute hier. Hier werden sie heute sein –
Zeche Markham Main. Allerheiligen, 1984.
Neil parkt den Mercedes im Schatten –
Fünfhundert Streikende, vielleicht weniger. Dreihundert Polizisten, vielleicht mehr.
Neil sieht einen Zeitungsjungen auf seinem Fahrrad; ein Milchmann macht seine Runde, die Ortsansässigen gehen mit ihren Hunden raus.
Neil sieht, wie die Polizei den Zeitungsjungen und den Milchmann von der Straße räumt. Er hört, wie sich die Kolonne nähert. Das Rufen und Drängen beginnt.
Neil entdeckt den Mann, den er sucht.
Seine Beute für den Tag
. Er lächelt –
Er entfernt sich mit einem Milchflaschenkasten als Schild aus der vordersten Reihe.
Dann entdeckt er den Montego in einer Seitenstraße. Seine Beute kommt rückwärts die Straße entlang –
Neil springt vor und zerrt seine Beute über eine Ligusterhecke –
Er bearbeitet Paul Dixon hart mit den Fäusten. Er schleift ihn am Haus vorbei und lehnt ihn an die Wand. »Sprich mit mir«, sagt er. »Erzähl mir, was ich nicht weiß.«
»Was zum Teufel machst du da?« brüllte Paul. »Colonel Gaddafi im Fernsehen küssen?«
Der Konferenztisch war mit Zeitungen und ihren Schlagzeilen übersät –
Unglaublich! Obszön!
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