GB84: Roman (German Edition)
hingekommen? Über die A61. Er nickt. Was denkt denn Cath über all das? Sie unterstützt Sie, richtig? Ihre Frau? Was hat das denn damit zu tun? Na ja, Sie sitzen hier, und sie hat zwei Jobs, damit Sie was zu essen kriegen und sich ein Bier in den Bauch schütten können – während Sie das Gesetz brechen. Woher wissen Sie das?, frage ich. Mit wem haben Sie geredet? Er lächelt. Keine Kinder, nehme ich an, da hat man nicht so eine große Verantwortung wie wir anderen, hm? Darauf antworte ich nicht. Der Jüngere lehnt sich vor. Und warum nicht?, fragt er. Ich schaue ihn an. Warum was nicht?, frage ich zurück. Sind Sie es oder Ihre Frau? Was? Der nichts gebacken kriegt. Ich schaue ihn an und schüttle den Kopf. Er grinst und zwinkert. Tja, dann haben Sie ja noch schön Geld auf der Kante, sagt der Alte. So ganz ohne Kinder. Wollen Sie einen Kredit?, frage ich. Er lacht und schüttelt den Kopf. Ich nicht, sagt er. Aber Ihr Kumpel Geoff vielleicht. Ratenzahlungen. Hypotheken. Zwei Kinder. Dauert nicht mehr lang, dann steht er mit dem Hut in der Hand vor Ihrer Tür. Es sei denn, er geht wieder arbeiten, sagt der Junge. Der Alte nickt, das wird er schon. Deswegen will er ja eine Abstimmung. Und Sie?, fragt der Junge. Wollen Sie eine? Na klar, sagt der Alte. Er liebt die Demokratie, unser Kumpel Martin. Hat letztes Jahr für die Tories gestimmt. Stell sich das mal einer vor, sagt der Junge. Jetzt hocken wir hier, drei gute Tories, und unterhalten uns auf dem Revier. Ich war gar nicht wählen, sage ich. Der Alte lacht mir ins Gesicht. Lügner, sagt er. Ich lüge nicht. Oh doch. Nein. Doch, sagt er. Müssen Sie. Denn man hat mir gesagt, keine Anklage gegen Sie. Ich soll Sie laufen lassen. Jetzt lügen Sie aber, sage ich. Er schüttelt den Kopf. Sie lügen, wiederhole ich, ich weiß es. Meinetwegen können Sie hierbleiben, erwidert er. Ich stehe langsam auf. Er nickt. Pete Cox wartet draußen auf Sie, sagt er. Der bringt Sie nach Hause. Ich gehe zur Tür. Die beiden grinsen und winken. Was immer Sie da auch tun, meint der Junge, nur weiter so. Pete fährt mich nach Hause. Ich bitte ihn nicht herein. Vielleicht gibt es Krach. Ich mache die Tür auf. Das Haus ist leer. Cath ist nicht da. Tag 36 . Man kann nicht mit ihr reden. Entweder zetert sie ununterbrochen, oder sie liegt im Bett und heult. Da ist es auf dem Streikposten ja noch besser, und das will was heißen. Babbington war riesig, zwei–, dreitausend Mann. Eine Mordsschubserei.
Krk-krk
. Jede Menge Verhaftungen.
Lächeln
. Kameras. Pete meinte, wir sollten uns im Hintergrund halten nach letzter Woche. Heute geht’s rüber nach Lancashire, morgen nach Sheffield zur Großversammlung. Keine Spur von Geoff. Pete sagt, er sei auf Kaution draußen, müsse sich aber von Notthingham fernhalten. Seine Frau sei in die Luft gegangen. Armer Kerl. In Agecroft sind etwa sechshundert Mann. Und gar nicht mal so viele Polizisten, aber die ziehen jeden raus, der flucht oder ›Scab‹ ruft – wegen öffentlicher Drohung und Drohgebärde. Gegen halb elf kommt die Mittagsschicht. Der Inspector lässt sechs Männer durch, die ans Tor dürfen und mit denen reden können, die stehen bleiben. Keiner bleibt stehen. Dasselbe wie in Nottingham. Das macht alle stinkig. Jede Menge Schubserei. Der Plan lautet, eine lebendige Mauer quer über die Straße zu bilden. Erst haben wir Glück, aber dann reißen sich die Bullen zusammen, und das war’s dann. Ein paar Fäuste fliegen. Ein paar Verhaftungen. Die Streikbrecher gehen rein. Die Kumpel lassen auf dem Weg zurück zu den Wagen ihre Wut an einem Kamerateam von ITN aus. Ab morgen wird alles anders. Tag 37 . Sirenen und Rufe – Arthur Scargill, Arthur Scargill, wir stehen umso fester hinter dir. Wir – stehen – umso – fester – hinter – dir. Es sollten eigentlich nur vier Kumpel von jeder Zeche in Yorkshire sein. Aber keine Chance. Nicht heute – Keine Abstimmung. Kein Ausverkauf – Es ist an der Zeit festzustellen, wer wofür steht. Viertausend Kumpel umringen den Block des St. James’s Tower – Arthurs Rote
SECHSTE WOCHE
Montag, 9. April – Sonntag, 15. April 1984
Mistkerle. Die erdabgewandte Seite eines blutigen, beschissenen Mondes. Der Mechaniker fährt durch die Nacht. Von Norden nach Süden. Verdammte Mistkerle. Die Hunde liegen hinten im Wagen. Bei Sonnenaufgang erreicht er Worcester. Er parkt vor dem Bungalow, geht die Einfahrt entlang und klopft an die Tür, drückt unablässig auf die Klingel
.
»Wer ist da? Was
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