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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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dass sie sehr, sehr enttäuscht ist«, sagt der Jude. »Die Premierministerin wünscht – ja, sie besteht darauf –, dass sich solche Szenen nicht wiederholen. Unter gar keinen Umständen. Sie hat mich gebeten, dies Ihnen gegenüber so deutlich wie möglich zu machen.«
    »Tut mir leid, aber die Lage vor Ort …«
    »Die Lage vor Ort ist vollkommen unannehmbar«, unterbricht ihn der Jude und beugt sich vor. Er klopft an die Scheibe. Neil Fontaine dreht das Radio leiser –
    »Fahren Sie bitte langsam in Richtung Zeche, Neil.«
    »Sehr wohl, Sir«, sagt Neil. Er lässt den Motor an und dreht das Radio wieder lauter.
    »Schauen Sie sich das doch mal an«, sagt der Jude. »Eingeschlagene Fensterscheiben, zerstörte Autos, verschmierte Häuser, umgelegte Telefonmasten, Barrikaden, Feuer …«
    »Mr. Sweet, es gab tausend Streikwillige, und …«
    »Also bitte, wir wissen genau, wie viele verdammte Streikwillige es gab. Wir wissen auch, wie viele Verhaftungen es gab. Oder nicht gab«, sagt der Jude.
    »Ich versichere Ihnen …«
    »Versichern, versichern, Mr. Waterhouse, neunzehn Verhaftungen und der Ausfall der Nachtschicht versichern weder der Premierministerin noch mir irgendetwas. In Babbington gab es letzte Nacht sechzig Verhaftungen, aber nicht einen Bruchteil der Verwüstungen, die ich hier zu sehen bekomme.«
    John Waterhouse nimmt seine Mütze ab und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
    Der Jude legt einen Arm um den Assistant Chief Constable und sagt: »Das darf nicht wieder vorkommen, John.«
    John Waterhouse wischt sich die Augen trocken und putzt sich die Nase.
    »Nie wieder«, betont der Jude. »Nie wieder.«
    Waterhouse nickt.
    Sie hatten Terry Winters’ Büro auseinandergenommen. Alles. Komplett –
    Teppichboden. Aktenschränke. Bücherregal. Schreibtisch. Telefone. Sessel. Jalousien, Lampen –
    Alles, nur nicht das Porträt an der Wand –
    Das war Terrys Idee gewesen.
    Es waren geradezu wahnhafte Zeiten in der Zentrale der National Union of Mineworkers. Noch wahnsinniger als sonst. Presse und Fernsehen berichteten fast ausschließlich negativ und feindselig. Noch feindseliger als sonst. Jede Anfrage kam immer wieder auf die Forderung nach landesweiter Abstimmung und mehr Demokratie zurück –
    Demokratie. Demokratie. Demokratie

    Häufiger als sonst.
    Terry schluckte drei Aspirin, nahm seine Akten und den Taschenrechner. Dann ging er den Flur entlang, nahm nicht den Fahrstuhl, stieg die Treppe nach oben.
    Len Glover filzte ihn an der Tür und sagte, er solle seine Jacke draußen lassen.
    Terry zog die Jacke aus und ging hinein –
    Nur Plastikstühle und Plastiktische. Die schmolzen fast in der Hitze. Die Heizung lief auf vollen Touren. Alle Lampen brannten.
    Terry zog die Vorhänge zu.
    Der Präsident blickte auf und flüsterte: »Danke, Genosse.«
    Terry nickte. Er setzte sich rechts neben den Präsidenten und hörte zu –
    Keine Abstimmung. Keine Abstimmung

    Er hörte von Plänen und Verschwörungen, von Gegenplänen und Gegenverschwörungen:
    »Ohne Durham«, sagte Gareth, »haben die Gemäßigten unter uns keine Mehrheit.«
    »Wir erklären es für nicht satzungsgemäß«, meinte Paul, »dann haben wir zwölf zu neun für uns. Vielleicht dreizehn zu acht.«
    »Eine einfache Mehrheit bringt sie schon zu Fall«, sagte Dick lachend. »Die werden einer außerordentlichen Delegiertenkonferenz zustimmen, nur um Zeit zu gewinnen.«
    »Dann kommt die Delegiertenkonferenz«, sagte Paul, »und dann haben wir sie.«
    »Ich rede mit Durham«, meinte Sam. »Ich werde dafür sorgen, dass sie das Entsprechende liefern.«
    Alle blickten auf und sahen den Präsidenten an –
    »Dann ist die Sache entschieden«, sagte er.
    Alle lächelten, klatschten, klopften sich gegenseitig auf die Schultern.
    »Da ist nur noch ein Punkt«, unterbrach sie der Präsident –
    Alle verstummten, hörten auf zu lächeln.
    Der Präsident stand auf und sah sich um. Dann sagte er: »Sie öffnen unsere Post. Sie hören unsere Telefone ab und beobachten unsere Häuser.«
    Alle nickten.
    »Das haben wir uns schon gedacht. Von einer demokratischen Regierung ist ja auch nichts anderes zu erwarten.«
    Wieder nickten alle und warteten.
    »Was wir nicht wussten und nicht erwartet haben: Sie haben auch einen Maulwurf.«
    Alle warteten, schüttelten die Köpfe.
    Der Präsident sah sich um. »Einen Maulwurf, Genossen.«
    Wieder schüttelten alle die Köpfe und senkten die Blicke auf die Tischplatte.
    Der Präsident nickte Bill

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