GB84: Roman (German Edition)
gehen rein – Winken, Lächeln – Mistkerle. Wir schubsen. Rufen – Mehr ist nicht. Mehr können wir nicht tun. Die sind drin, und wir sind draußen. Das ist alles. Wir gehen zu den Autos zurück. Die Polizei winkt zum Abschied – lächeln, die verdammten Mistkerle – Wir vergeuden hier nur unsere Zeit, meint Keith. Die kriegen wir nicht mehr rum. E-Werke wären besser. Die Werften am Trent. Das würde sich wenigstens lohnen. Das würde man bald merken. Tag 68 . Wieder schlecht geträumt –
Wir liegen unter Leichen. Tausenden. Wir sind ausgedörrt. In Blut ertrunken. Gestürzte Kronen. Wir liegen unter Leichen. Wir lauschen dem Acker unter uns. Würmer kommen angekrochen, Schnecken, Ratten. Kleine blutige Abdrücke auf kalter weißer Haut. Wir liegen unter Leichen. Wir schauen zum Himmel. Wolken ziehen auf. Regen. Krähen – eine landet auf mir. Stolziert mir über die Brust. Legt den Kopf seitlich. Will mir das Auge auspicken
– Ich wache auf. Hab nur noch schlechte Träume – nichts anderes mehr. Jetzt geht’s los. Jetzt geht’s los. Jetzt geht’s los – Tag 69 . Heute Aufmarsch in Mansfield. Die meisten Frauen sind mitgekommen – Cath auch. Sie wollte. Eine Menge Kumpel haben ihre Kinder mitgenommen. Wir sind alle zusammen in einem Bus gefahren. Ein Riesenspaß. Viel Gesang. Frotzeleien. Wir kommen am Freizeitzentrum an. Steigen aus – was für ein Anblick. Locker dreißigtausend Mann und Banner, so weit das Auge reicht – Aus Schottland. Wales. Lancashire. Derbyshire. Kent. Yorkshire – Per Bus. Lieferwagen. Auto. Zu Fuß – Hier in deren Kernland. Nicht um sie zu bedrohen oder zu bedrängen – sondern um sie zu beschämen. Gott lächelt uns zu. Brütend heiße Sonne. Wir marschieren hinter unseren Bannern durch das Stadtzentrum. Stolz erhobenen Hauptes. Hand in Hand mit Cath. Die Kinder vorneweg. Eiscreme. Die Bewohner sind auf der Straße und applaudieren uns. Jubeln von den Dächern. Feuern uns an. Keine Streikbrecher mit ihren Frauen. Keine von Maggies Sturmtruppen. Kein Helm weit und breit. Nur dreißigtausend ganz normale, anständige Männer, Frauen und Kinder. Gegen Mittag sind wir zurück beim Freizeitzentrum. Wir kommen nicht bis an die Bühne. Aber wir hören sie. Tony Benn. Dennis Skinner – Wir können Grenzen überschreiten, von denen wir bisher nicht zu träumen wagten. Wir können nicht nur die Zechenschließungen unterbinden – wir können den Sozialismus erringen. Fantastisch, jeder Einzelne von ihnen. Cath klatscht. Jubel. Rufe nach Arthur. Den wollen die Leute. Ein Name – Arthur, Arthur, Arthur, Arthur – ich schaue Cath an – Klatschen. Jubeln. Rufen. Und er ist großartig. Großartig – Ihr habt eine Gewerkschaftsführung, die bereit ist, euch bis zum Sieg zu führen, und wir werden siegen – Sie schaut mich an. Drückt mir die Hand. Tränen in den Augen. Tränen auch in meinen – Gute Tränen zur Abwechslung.
ZEHNTE WOCHE
Montag, 7. Mai – Sonntag, 13. Mai 1984
Bill Reed und der Präsident kannten sich schon weiß Gott wie lang. Aus Woolley. Aus Barnsley. Bill Reed war der Kandidat des Präsidenten gewesen und hatte den Job gekriegt. Er gab den
Miner
heraus, die Gewerkschaftszeitung.
Bill stellte seine Tasse ab und fragte: »Hältst du das für fair? Wir spenden unser Gehalt dem Fonds für Härtefälle? Ich streike doch gar nicht. Ich arbeite rund um die Uhr.«
»Was möchtest du, Genosse?« fragte Terry.
Bill Reed nickte und sagte: »Dieser Kontaktmann von mir, von ganz oben. Weißt du noch, wie er mir verraten hat, es gäbe einen Maulwurf in der Huddersfield Road?«
Terry antwortete nicht darauf. Er rührte in seinem Kaffee –
Im Gegenuhrzeigersinn
.
Bill beugte sich über den Tisch und sagte: »Ich weiß, wer es ist, Genosse.«
Terry hörte auf zu rühren und legte den Löffel auf die Untertasse.
»Ich hab meine Hausaufgaben bei diesem Typen in Manton gemacht«, sagte Bill Reed. »Dem Kerl, der die Stimmabgabe da unten organisiert hat. Ein gewisser Don Colby?«
Terry nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und schüttelte den Kopf.
Bill Reed lächelte und sagte: »Wie sich herausstellt, haben Don und du einen gemeinsamen Freund.«
Terry sagte nichts, wartete –
Bill lächelte: »Clive Cook.«
Die Lady hatte den Juden und Neil Fontaine in einen Privatflieger nach Prestwick gesetzt, nicht nach Glasgow. Ihr Wagen sollte sie dort abholen und direkt nach Motherwell fahren –
Neil saß vorn beim Fahrer, der Jude hinten bei den hohen
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