GB84: Roman (German Edition)
Premierministerin hat es versprochen. Heute wird er dem Präsidenten der Vereinigten Staaten vorgestellt. Sie hat es versprochen. Das ist seine Belohnung –
Der Weltwirtschaftsgipfel in London. Die Feierlichkeiten zum D-Day –
Und alle Welt schaut zu
–
Sie hat es versprochen (und sie hält ihre Versprechen, immer).
Das Telefon klingelt –
Neil steht auf, geht ans Telefon, lauscht, legt auf –
Jennifer sitzt im Bett und sagt: »Verzeih mir, Neil. Bring mich zurück. Bring ihn um …«
Schädel. Kerze. Uhr und Spiegel. Neil geht zum Bett. Teppich. Handtücher und Laken. Licht auf der Tapete. Er nimmt sie in die Arme. Vorhänge. Einbauten und Zubehör. Der Schatten auf ihren Knochen. Er küsst sie. Hände und Haare. Liebt sie –
Immer gibt es solche Augenblicke wie diesen
.
Er zieht sich an und geht. Er fährt auf der Überholspur Richtung Norden –
Er hat noch andere Versprechen zu halten, Befehle zu geben, Anweisungen persönlich zu überbringen –
Jetzt ist nicht die Zeit, nicht der Tag oder die Stunde
–
Alle Welt schaut zu
.
Aber die Zeit, der Tag, die Stunde wird kommen
–
Dann schaut nicht alle Welt zu
.
Neil Fontaine fährt um halb acht vom Motorway runter. Er hält an und geht durch die sich sammelnden Streikposten hindurch zu der alten Chemiefabrik. Er durchquert die Polizeifront und kommt zur Kommandozentrale. Er hat sein Fernglas dabei und einen Umschlag.
Das hohe Tier der South Yorkshire Police blickt auf. »Himmel, was denn noch?« fragt er.
Neil Fontaine lächelt und reicht ihm den Umschlag –
Der Beamte öffnet ihn, nimmt den Brief heraus, liest ihn und schüttelt den Kopf –
»Geduld«, mahnt Neil. »Geduld.«
Neil Fontaine lässt ihn mit dem Brief allein und geht aufs Dach. Er hebt das Fernglas vor die Augen und sieht die Pferdeboxen, die Hundezwinger, die Transporter, die Einsatzteams –
Er hört Hufgetrampel, Bellen, Reifen, Stiefel –
Frisch aus Creswell
.
Funkgeräte knistern. Signale werden gegeben. Arme untergehakt –
Bereit
.
Die Streikposten gehen die Straße entlang zum Feld –
Die Laster kommen.
Neil schaut zu, wie sie die obere Straße entlangdonnern, sieht die Streikposten herandrängen. Die Polizeikette hält, die Laster sind drin.
Er lässt das Fernglas sinken und will schon gehen –
»Wir steh’n zu dir! Wir steh’n zu dir! Wir steh’n zu dir immerdar (immerdar) …«
Neil hebt das Fernglas –
»Wir. Steh’n. Zu. Dir. Immer. Dar!«
Der Präsident der NUM kommt die Straße entlang. Graue Hose. Schwarzer Anorak. Baseballkappe –
Neil hat ihn im Blickfeld.
Seine Leute klatschen und jubeln –
Salutieren ihrem kommunistischen Cäsar.
Neil lächelt –
Die Todgeweihten grüßen dich
.
Diane stand auf, fand ihren Schlüpfer zwischen den Laken. Sie zog ihn an, dann BH, Strumpfhose, Unterrock und Bluse, Rock und Jacke.
Terry setzte sich auf. Sah auf die Uhr. Er hatte noch eine Stunde Zeit bis zum Zug nach London. Theresa und die Kinder glaubten, er wäre schon in der Nacht zuvor dort hingefahren. Für den Aufmarsch –
Die erste große Debatte im Unterhaus. Parlament
–
Ein Heimspiel mit der Metropolitan Police.
Terry hatte die Busse bestellt, alles arrangiert, alles bezahlt –
London. Wakefield. Orgreave
.
»Dafür bin ich ihm gut genug«, murrte Terry. »Um Busse zu bestellen, verflucht.«
Diane kam zurück, setzte sich auf die Bettkante und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Wann sehe ich dich wieder?« fragte Terry.
Diane schob eine Hand unters Laken und nahm seinen Schwanz in die Hand. Sie lächelte.
Terry lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Wann?« fragte er.
Diane glitt unter die Decke. Sie küsste seinen Schwanz und lutschte ihn.
»Ich hab einen Haufen Geld, weißt du?« sagte Terry. »Wir könnten einfach …«
Sie streckte die Hand aus und legte ihm einen Finger auf die Lippen.
Der Jude ruft wieder mal Neil Fontaine im Victoria Hotel an. Es ist tiefste Nacht. Der Jude ist einsam, gelangweilt, deprimiert, betrunken. Er hat sich ein paar Drinks gemixt; aus Angeberei und Angst.
Der Jude prahlt mit dem Prozesserfolg um Derbyshire und verkündet, dass die Abstimmung in Nottinghamshire die Militanten vernichten wird –
Angeberei
.
Aber der Jude macht sich auch Sorgen, dass alles umsonst sein könnte. Er befürchtet, das NCB und die Weicheier könnten das Arbeitsrecht geltend machen –
Angst
.
Der Jude sagt zu Neil, das NCB werde sich wieder mit der Gewerkschaft treffen. Heute. Diesmal in Edinburgh.
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