GB84: Roman (German Edition)
Garage und ging hinein
–
Das Haus war still, aber nicht still genug
.
Er zog die Vorhänge zu, setzte sich aufs Sofa, rollte zwei große Stücke Watte zu kleinen Kügelchen und steckte sie sich in die Ohren. Dann wickelte er sich einen Verband um den Kopf und schloss die Augen
–
Stille. Schlaf. Traumloser, stiller Schlaf
–
Dumpfer, sterbender Schlaf. Sterbende, dumpfe Stille
–
Das Telefon klingelte
–
Malcolm Morris schlug die Augen auf. Er wickelte den Verband ab und nahm die Wattepfropfen heraus
.
Er drückte auf Knöpfe und hob ab
–
»Spät geworden?« fragte Roger Vaughan
.
Malcolm setzte sich auf und kontrollierte alles noch mal
–
Die Spulen drehten sich. Ein Rädchen griff ins andere. Die Bänder zeichneten auf
.
»Wird es das nicht immer?« erwiderte Malcolm
.
»Wir haben einen Einkaufszettel für dich.«
»Wie viele?«
»Uhren, keine Radios«, erklärte Roger. »Zwei, wenn du hast?«
»Geschenke, richtig?«
»Geburtstag.«
»Welche Farbe soll das Geschenkpapier haben?«
»Grün.«
»Bis wann?«
»So bald wie möglich.«
»Ich melde mich.«
»Gut«, sagte Roger. »Jerry und ich warten.«
Malcolm legte auf, schaltete die Aufnahme aus, spulte zurück. Stopp. Start
–
Er hörte sich das Ganze noch mal an. Drückte auf Stopp, spulte zurück. Stopp
–
Er nahm die Kassette heraus, fand eine Hülle und schrieb auf Kassette und Hülle
–
RVPSN/MM/150684.
Malcolm versteckte sie gut
.
Er sah auf die Uhr und den Wecker. Beide gingen vor
–
Er wusch und rasierte sich, zog sich an und brühte sich zwei Tassen löslichen Kaffee. Er aß Frühstücksflocken und Toast mit Marmelade. Dann trank er die zweite Tasse Kaffee, band sich eine Krawatte um und nahm Aktentasche und Autoschlüssel. Er schloss das Haus ab, setzte mit dem Wagen rückwärts aus der Garage, schloss die Garage ab und fuhr zur Arbeit
–
Von Harrogate nach Sheffield
.
Malcolm setzte sich an seinen Schreibtisch, trank löslichen Kaffee und rauchte zollfreie Zigaretten
–
Und er lauschte
–
Hände auf den Ohren. Kopfhörer. Augen geschlossen. Rasende Kopfschmerzen
–
In jeder Minute jeder Stunde jeden Tages jeder Woche jeden Monats
–
Er hörte es, hörte es kommen, näher kommen, näher und näher. Jetzt
–
Der Verkehr brach los, Zeiger drehten sich, die Pegel stiegen, ohrenbetäubend
–
Lärm.
Etwas geschah, geschah erneut, geschah in der Nähe. Jetzt
–
Spulen drehten sich, Bänder zeichneten auf
–
Tod –
Ein Streikposten aus Kellingley war am Kraftwerk Ferrybridge von einem Laster überfahren worden
–
Stille.
Der Jude hat seine Belohnung erhalten. Er hat nun ein Büro im Hobart House –
Volle Kraft voraus mit den Rechtsstreitigkeiten. Einzelklagen. Keine Gespräche mehr –
Außer über den Sieg
.
Neil Fontaine trägt die Kisten aus dem Mercedes nach oben und stellt sie auf dem Teppichboden im Büro ab –
Derbyshire, Lancashire, North Wales, Nottinghamshire
.
Die Sekretärin des Juden nimmt die Akten aus den Kisten und legt sie in die Aktenschränke. Chloe ist neu, schwarz, schön, hat heute angefangen.
Ein Mann im Overall schraubt ein Namensschild von der Tür ab. Es ist alt, abgenutzt.
Anzugträger durchqueren die Flure. Sie machen mürrische Gesichter und knallen ihre Bürotüren zu –
Dem Juden ist das gleich. Dem Vorsitzenden auch –
Der Vorsitzende ist ein Amerikaner, aus Glasgow.
Der Jude möchte auch Amerikaner sein, aus Suffolk.
Die beiden sind Feuer und Flamme –
Sie lieben den Kapitalismus und seine Chancen. Sie hassen den Kommunismus und seine Abhängigkeiten. Die Freiheit des Geldes gegen die Sklaverei der Münze –
Die Vereinigten Staaten des freien Handels
.
Der Jude dreht sich in seinem neuen ledernen Bürosessel –
Feuer und Flamme
.
Es wird dunkel sein, bis der Jude und Neil Fontaine nach Norden fahren –
Die Welt schläft
.
Demonstration und Gala der Bergleute von Yorkshire, Thornes Park, Wakefield
–
Im Jahr des Streiks für Zechen und Arbeitsplätze.
Malcolm Morris marschierte in der Innenstadt von Wakefield los, marschierte hinter den Blaskapellen und Bezirksbannern her, den Familien und Freunden, den Kindern mit ihren Ansteckern, den Müttern in ihren T-Shirts
–
Frauen gegen Zechenschließungen.
Er folgte den Bergleuten und den Tambourmajorinnen zum Park, Hitze und Haut, Bierzelte und Boxringe, Gelegenheiten und Gesang
.
Der Wettbewerb um die Kohlekönigin war in diesem Jahr abgesagt worden, doch es gab einen um das beste
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