GB84: Roman (German Edition)

Zirkusdirektor führt sie und ihre Kameras und Stifte den Gartenweg entlang zum Haus von Stuart Tams –
    Dem verstorbenen Stuart Tams
.
    Mrs. Tams zeigt den Herren von den Medien die vernagelten Fenster, von denen jedes einzelne mit einem Wort beschmiert ist –
    Scab
.
    »Sie griffen die Kinder an«, berichtet Mrs. Tams. »Das hat ihn am meisten geschmerzt. Er versuchte ihnen von den Härten zu berichten, denen er ausgesetzt war. Aber sie wollten nichts davon hören.
    Sie haben ihn bespuckt, ihm den Rücken gekehrt. Das waren seine Kumpels gewesen, seine Arbeitskollegen. Er hat alles heruntergeschluckt. Über Geld wollte er nie reden. Da ist er einfach immer nach oben gegangen. Dann fing das mit den Anrufen an. Neun Mal riefen sie an. Sie haben unsere Töchter angegriffen. Das war es dann. Stuart war in der Zwickmühle, musste entscheiden, ob er die Kinder weiter dieser schweren Prüfung aussetzen wollte. Er hat sich dagegen entschieden. Er hat entschieden …«
    Der Jude legt einen Arm um Mrs. Tams und schaut zur Garage hinüber.
    Die Medien machen ihre Fotos und Filmaufnahmen.
    »Diese Männer, die am Telefon eine Zwölfjährige und eine Zehnjährige bedrohen, sind Feiglinge, Mörder«, erklärt der Jude. »Sie sind es nicht wert, Seite an Seite, Schulter an Schulter mit Bergleuten wie Stuart Tams zu stehen. Sie sind eine Schande für die große Tradition des Bergbaus und der Bergarbeiter.«
    Mrs. Tams nickt.
    Der Zirkusdirektor führt alle den Gartenweg entlang hinaus auf die Straße. Dort stehen sie vor der dürren Hecke und den vernagelten Fenstern mit dem darauf gepinselten Wort –
    Scab
.
    Der Jude macht sie mit Fred Wallace aus Pye Hill bekannt –
    »Fred ist Sprecher des NWMC. Er ist gekommen, um jedem Bergmann zu helfen, der arbeiten will, dem dieses Recht aber von der Gewerkschaft verwehrt wird. Ganz gleich aus welcher Region. Er wird jedem Bergmann helfen, der eingeschüchtert und bedroht wird, und allen Bergmannskindern, die eingeschüchtert und bedroht werden. Fred ist hier, um euch zu sagen, ihr seid nicht allein. Was der Tams-Familie zugestoßen ist, wird nie wieder geschehen – nie wieder!« ruft der Jude. »Ihr seid nicht allein.«
    Fred Wallace nickt.
    »Fred möchte noch hinzufügen, dass das NWMC bereit ist, jedem Bergmann, der nicht versichert ist, Schadensersatz für jeglichen Vandalismus zu leisten, ob es nun ihn persönlich betrifft, seinen Besitz oder sein Fahrzeug, solange dies auf seine Entschlossenheit zurückzuführen ist, sein Recht auf Arbeit durchzusetzen«, erklärt der Jude.
    Wieder nickt Fred Wallace.
    »Ich bin Stephen Sweet«, sagt der Jude. »Ich bin gekommen, um zu helfen.«

PETER
    waren es zehntausend gewesen. Und es erinnerte mich an meinen Vater – Wir waren damals zusammen dort. Wäre jetzt in Rente gewesen, wenn er noch gelebt hätte. Aber für Joe wäre er immer noch mitmarschiert – Banner wurden getragen, Kapellen spielten. Arthur, Jack, all die Jungs. Die Hälfte von uns mit Veilchen und Verbänden. Ein Dudelsackpfeifer spielte kräftig
Flowers of the Forest
. Die Feier war im Krematorium Pontefract. Sie dauerte eine Stunde. Dann sprach Arthur. Wir schulden es dem Andenken Joe Greens und David Jones’, sagte er, den Kampf um offene Zechen, sichere Arbeitsplätze und unsere Bergbaugemeinden zu gewinnen. Und dass Sie mich nicht falsch verstehen – wir werden gewinnen. Großartig, dieser Arthur. Musste er ja auch – Dem Fernsehbullen drohte keine Anklage.
Krk-krk
. Man sprach davon, die Gewerkschaft könnte Anzeige gegen den Arsch einreichen. Er war nur einer von vielen, aber ihn hatten sie erwischt, wie er vor laufender Kamera einen jungen Kerl mit dem Knüppel traktierte. So sah Großbritannien 1984 aus – Ein Polizist konnte einem unbewaffneten, barbrüstigen Burschen die Seele aus dem Leib prügeln, vor laufender Kamera, und damit durchkommen. Aber nicht nur das, der ganze Staatsapparat stand ihm bei – Aber ein Bergmann, der seinem Land dreißig Jahre gedient hat, wenn der auf Streikposten gehen und einen anderen davon überzeugen will, seine Arbeit, seine Familie, seine Gemeinschaft und seine ganze Lebensart zu verteidigen, dann buchten sie ihn ein und stellen ihn unter Anklage – 3444 Kumpel seit Anfang März. Wahrscheinlich noch ein paar mehr – Wieder zurück im aktiven Dienst. Wieder ins Coal House . Das Regionalbüro des NCB in Doncaster. Nicht alle waren beeindruckt. Vor allem die Älteren nicht – Da arbeiten doch nur Frauen, meinte Joey Wood.