Gears of War - Aspho Fields
noch seinen kaltschnäuzigen Raubtierblick zu, diesen Blick, der sie nicht im Geringsten beeindruckte. »Wir warten dann im Fahrzeuglager, Omi.«
Sie wartete, bis sich die Türen geschlossen hatten.
»Okay, Dom. Was willst du wissen, was du nicht sowieso schon weißt?«
»Die Wahrheit«, erwiderte Dom.
»Wahrheit ist nicht das Gleiche wie Fakten.«
»Das muss ich selbst beurteilen. Du bist eine ehrliche Frau. Erzähl mir einfach, was du gesehen hast. Es gibt nichts mehr, was mich verletzen könnte.«
Er griff in sein Shirt, holte ein paar Fotos heraus und suchte eines für sie aus. Es war auf völlig unerwartete Weise schockierend, bloß ein ganz normales Foto von drei jungen Männern: Dom, Carlos und Marcus; Carlos in der Mitte, seine Arme um die Schultern der anderen gelegt. Es schockierte sie deshalb, weil Marcus von einem Ohr zum anderen grinste und auch nicht das Kopftuch trug, das er jetzt nie mehr abnahm, und sie hatte Schwierigkeiten, den jungen Gear in ihm zu sehen, den sie damals gekannt hatte. Die Kluft zu dem heutigen Marcus – von Narben gezeichnet, niemals lächelnd, ruhelos – war so tief, dass sie sie nicht einmal ansatzweise ausloten konnte.
»Carlos hat nicht lange genug gelebt, um meine Tochter kennen zu lernen«, sagte Dom und steckte das Bild so vorsichtig, als würde er eine heiligen Reliquie anfassen, zurück zu den anderen. »Erzähl mir einfach etwas, das dem Ganzen einen Sinn gibt. Bitte.«
Carlos war ein gut aussehender junger Bursche. Im Nachhinein erschien es jetzt als reine Verschwendung, die Gesellschaft vor einer Bedrohung zu retten, wenn es sich dabei nicht um jene handelte, die im Verborgenen lauerte, bereit, den Großteil der Menschheit zu vernichten.
»Okay«, sagte Bernie. »Carlos war ein Held – einer der Besten, einer von denen, die es für die Menschen tun und nicht für irgendeine Idee. Wenn es galt, ein Risiko einzugehen, war er der Erste in der Schlange und schob dabei sogar Marcus beiseite. Die Bedeutung des Wortes aufgeben kannte er nicht. Er betete dich an und war stolz auf dich.« Hey, sachte, Mädchen, das ist noch schlimmer, als ihm die richtig üble Scheiße zu erzählen. Wie weit willst du das Messer denn noch rumdrehen? »Ich vermisse ihn immer noch. Ist es das, was du wissen willst? Ich erinnere mich wahrscheinlich nur noch stückchenweise an die lustigen Geschichten, wie damals, als er pinkeln musste und dem Adjutanten in den –«
»Ich will wissen, wie er starb.«
»Er hat den Embry Star bekommen. Sagt das nicht alles?«
»Nein, das sagt mir Scheiße noch mal gar nichts. Es sagt mir nur, was in der Würdigung stand.« Dom war auf jeden Fall aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Carlos. Er gab niemals auf. Er wich nie auch nur einen Schritt zurück, selbst wenn er wusste, dass es wehtun würde. »Du warst dort – bei ihm. Und Marcus auch, aber ich kann ihn nicht zwingen, Dinge auszukramen, die ihm das Herz gebrochen haben. Erzähl mir, was du gesehen hast.«
Sie denken immer, sie würden es wissen wollen.
Vielleicht will Dom es wirklich.
Das Problem bestand darin, es ein für alle Mal zu wissen. Wenn man jemandem erst einmal die Wahrheit erzählt hatte, gab es keine Möglichkeit, sie unerzählt zu machen, und sie waren für den Rest ihres Lebens mit dem Wissen in einer Kiste gefangen, ohne ihr jemals wieder entrinnen zu können. Bernie mochte Dom viel zu sehr, um ihn leichtsinnig in dieses Gefängnis zu stecken.
»Er starb, Dom«, sagte Bernie. »Du hast jetzt achtzehn Jahre als Gear gedient. Du weißt, dass der Tod nicht so ist wie im Film. Willst du es wirklich in allen Einzelheiten wissen?«
Dom hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie Carlos: Er schob sein Kinn ein winziges Stück vor, presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und runzelte ein wenig die Stirn, so als würde er angestrengt nachdenken.
»Ja«, sagte er. »Es muss sein.«
Es geht um seinen Bruder. Er hat ein Recht darauf. Es ist nicht mein Geheimnis, das ich hüten muss. Worum geht es hier? Seine Gefühle oder meine Schuld?
»Es wird dich aus der Bahn werfen«, sagte sie.
»Okay. Ja, das passt schon. Danke.« Dom nickte. Am liebsten hätte Bernie jetzt Baird am Kragen gepackt und hergeschleift, nur um ihm zu zeigen, wie sich ein echter Mann verhielt. »Tut mir leid. Ich wollte keine bösen Erinnerungen wecken oder so.«
Beinahe hätte Bernie die Beherrschung verloren; Dom hatte die gleiche Angewohnheit wie Carlos, zuerst an die andere Person zu denken. Aber nach
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