Gears of War - Aspho Fields
herauszubekommen, wie er über irgendetwas dachte.
Marcus blinzelte nur ein paar Mal, so als würde das Wort »Freunde« keinen Sinn ergeben. »Wer ist Dom?«, fragte er schließlich.
»Dominic, mein kleiner Bruder. Er ist acht. Aber er ist in Ordnung.«
»Muss schön sein, einen Bruder zu haben.«
Carlos hatte sofort Mitleid mit ihm. »Hey, du kannst ihn dir ja mal ausborgen, wenn du deprimiert bist.«
»Danke.«
Vielleicht würde Marcus die ganze Sache morgen schon wieder vergessen haben oder nächste Woche, wenn er sich etwas besser eingelebt hatte.
Aber Marcus vergaß nicht. Als er am nächsten Tag zum Unterricht kam, wirkte er entspannter. Er hatte eine ziemliche Schramme über dem Auge und blieb immer noch still, aber er benahm sich, als ob er das Recht hatte, da zu sein, und sich nicht dafür entschuldigen musste, dass er anders war.
Die Curzons beherzigten die Warnung und ließen sie beide in Ruhe. Niemand musste je wieder daran erinnert werden, dass man sich mit Santiago und Fenix nicht anlegte.
DREI JAHRE SPÄTER: CARLOS SANTIAGOS ZUHAUSE
»Ich könnte schwören, der Junge wächst jedes Mal ein Stück, wenn ich wegschaue.« Eva Santiago deckte den Tisch und blieb zwischendurch immer wieder stehen, um aus dem Fenster in den Hinterhof zu sehen. »Ich kann gar nicht glauben, dass das der gleiche Bursche ist.«
Dom war unentschlossen, ob er seiner Mutter beim Mittagessen helfen oder sich bei seinem Vater, Carlos und Marcus rumtreiben sollte, die gerade einen alten Motor auseinander nahmen. Es stimmte, Marcus hatte sich in den letzten drei Jahren, seit er sich mit Carlos herumtrieb, ziemlich verändert. Er war nicht mehr so mager, er sprach anders und von Zeit zu Zeit lachte er sogar. Tatsächlich war er inzwischen größer als Carlos, so groß wie Major Füller. Er war dreizehn, aber auf Dom wirkte er jetzt schon wie ein Erwachsener.
»Dein Essen schmeckt ihm«, meinte Dom. »Du bist die beste Köchin der Welt.«
Seine Mutter fuhr ihm durchs Haar. »Was sind seine Eltern denn so für Leute?«
Dom zuckte mit den Schultern. Ein Besuch auf dem Fenix-Anwesen – in Gedanken sah er es immer in seiner ganzen Größe vor sich – war nicht so, als würde man bloß zu einem Freund nach Hause gehen, und Marcus’ Eltern waren keine Leute. Der Ort war gewaltig, voll mit teurem antikem Kram, aber es kam einem so vor, als würde dort niemand leben. Dom hatte Carlos immer versprechen müssen, bloß nichts umzuwerfen, wenn sie dort hingingen. Das geschah nicht sehr häufig.
»Sie sind nett«, antwortete Dom. »Aber ich glaube, sie wissen nicht viel über Marcus.«
»Wie kommst du denn darauf, Liebling?«
»Sie behandeln ihn nicht so, wie ihr uns behandelt.«
Mom setzte ihre Ich-will-versuchen-dich-nicht-zu-ängs-tigen-Miene auf. »Sind sie böse zu ihm?«
»Nö. Mir kommt’s nur so vor, als würden sie versuchen, herauszubekommen, wer er ist. Und er ist auch anders, wenn er zu Hause ist. Seine Stimme klingt dann anders. Du weißt schon, voll vornehm und so.«
Sie setzte ein Lächeln auf, aber es war eines von diesen traurigen, aus denen Dom nie richtig schlau wurde. »Du bist ganz schön clever, wenn es um Leute geht, Dom. Ich denke, Marcus fühlt sich oft einsam, deswegen bin ich stolz darauf, dass du und Carlos für ihn da ist.«
Dom legte die Messer und Gabeln auf den Tisch und trat dann einen Schritt zurück, um sein Werk zu bewundern, bevor er von Mom das Nicken erhielt, das ihm erlaubte, hinaus in den Hof zu gehen. Er war nicht nur gespannt darauf, bei der Bastelei an dem Motor mitzumachen, er war auch neugierig auf die neuen Nachbarn, die zwei Häuser weiter eingezogen waren und deren Tochter schneller auf die Bäume in ihrem Hinterhof klettern konnte als irgendjemand sonst. Er meinte, gehört zu haben, dass sie Maria hieß, aber bisher hatte er noch nicht den Mut gefunden, sie anzusprechen. Er arbeitete noch daran.
Er schaute immer wieder hinauf in den Baum, aber es war nichts von ihr zu sehen. Schließlich rief Mom hinaus, dass sie aufräumen und zum Essen kommen sollten. Sie war wirklich eine tolle Köchin. Marcus bekam immer eine zweite Portion, manchmal sogar eine dritte, wahrscheinlich, weil es viel besser war als das Essen, das er zu Hause bekam, und er jedes Mal damit umging wie mit einer seltenen Delikatesse, die er nie wieder vorgesetzt bekommen würde. Mom war begeistert, dass er jedes Mal seinen Teller leer aß, und Dad war beeindruckt davon, wie viel scharfe Sauce er verputzen
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