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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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gedacht habe.«
    Talon wusste besser als jeder andere, wie dünnhäutig Perry war. Er war zwar schon immer leicht reizbar gewesen, doch es wurde mit jedem Tag schlimmer. Wenn es irgendwo eine Rauferei gab, hatte Perry in jüngster Zeit immer einen Weg gefunden, sich einzumischen. Der Äther in seinem Blut wurde dichter und gewann mit den Stürmen Jahr für Jahr an Kraft. Perry hatte oft das Gefühl, als besäße sein Körper einen eigenen Willen. Er schien ständig auf der Suche nach einer Auseinandersetzung – als Vorbereitung auf den einzigen Kampf, der ihm Befriedigung verschaffen würde.
    Doch genau dazu durfte es nicht kommen. Bei einem Herausforderungskampf um die Führung des Stamms starb der Verlierer oder musste für immer in die Fremde gehen. Und Perry konnte sich nicht vorstellen, Talon vaterlos zurückzulassen. Genauso wenig konnte er seinen Bruder und seinen kranken Neffen aus ihrem Stammesgebiet vertreiben. Im Niemandsland jenseits der Grenze gab es keine Gesetze – dort galt nur das Recht des Stärkeren.
    Somit blieb nur eine einzige Möglichkeit: Er selbst musste fortgehen. Es war das Beste, was er für Talon tun konnte. Denn das bedeutete, dass Talon bleiben und den Rest seiner Tage in der sicheren Umzäunung des Dorfes verbringen konnte. Es bedeutete aber auch, dass er selbst den Tiden nie so helfen konnte, wie es eigentlich nötig gewesen wäre.
    Auf der Lichtung vor dem Kochhaus drängten sich sämtliche Dorfbewohner. Die nachmittägliche Luft war erfüllt von aufgeregten Stimmungen und kräftigen Gerüchen. Aber es lag keine Spur von Angst darin. An Perrys Ohren drang nur ein gedämpftes Stimmengewirr, doch die Horcher hatten mit Sicherheit etwas aufgeschnappt – sonst wären sie nicht so abrupt aus dem Kochhaus gestürzt. Perry entdeckte Bear, der sich ­einen Weg durch die Menge bahnte, Wylan und ein paar andere in seinem Kielsog, die ihm hinaus auf die Felder folgten.
    »Perry! Hier oben!«
    Brooke stand auf dem Dach des Kochhauses und winkte ihn zu sich. Es überraschte ihn nicht, sie bereits dort oben zu sehen. Er kletterte auf ein paar Gemüsekisten, die an der Seite des Gebäudes aufgestapelt waren, und zog Talon dabei mit sich. Vom Dach hatte er eine gute Sicht auf die Hügel, die die östliche Grenze des Stammesgebiets bildeten. Eine Reihe Bäume schlängelte sich durch ein Mosaik von braunen und grünen Feldern und markierte damit den Verlauf des unterirdischen Flusses. Daneben sah Perry breite Streifen verbrannter Erde, in der die Ätherstürme zu Beginn des Frühlings tiefe Trichter hinterlassen hatten.
    »Dort drüben«, sagte Brooke in diesem Moment.
    Er schaute in die Richtung, in die sie zeigte. Perry war zwar genau wie Brooke ein Seher und konnte daher während des Tages deutlich besser sehen als die meisten anderen, doch sein wahres Talent lag in seiner hervorragenden Nachtsicht. Ihm war kein Seher bekannt, der über eine derartige Fähigkeit verfügte, und er bemühte sich, nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf diese Gabe zu lenken.
    Aber da er im Moment nichts Besonderes erkennen konnte, schüttelte er den Kopf und meinte entschuldigend: »Du weißt ja, dass ich nachts besser bin.«
    Brooke schenkte ihm ein kokettes Lächeln. »Das kann man wohl sagen.«
    Perry grinste zurück und erwiderte lediglich: »Später.« Etwas anderes fiel ihm nicht ein.
    Das Mädchen lachte und richtete ihre scharfen, blauen Augen wieder in die Ferne. Brooke war eine starke Seherin, die beste im Stamm, seit ihre jüngere Schwester Clara verschwunden war. Inzwischen war mehr als ein Jahr vergangen, aber Brooke hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie eines Tages zurückkehren würde. Perry konnte ihre gespannte Erwartung auch jetzt wahrnehmen, und dann fühlte er, wie diese in Enttäuschung umschlug.
    »Dahinten kommt Vale«, sagte sie. »Er schleppt irgendetwas Großes mit sich. Sieht aus wie ein Hirsch.«
    Eigentlich hätte Perry erleichtert sein sollen, dass es sich nur um seinen Bruder handelte, der von der Jagd zurückkehrte, und nicht um einen anderen Stamm, der ihre Vorräte plündern wollte. Aber irgendwie fiel es ihm schwer.
    Brooke rückte etwas näher und betrachtete seine verletzte Wange. »Das sieht so aus, als ob es wirklich wehtut, Per«, murmelte sie und strich ihm auf eine Weise mit dem Finger übers Gesicht, die alles andere als wehtat. Und als er ihren blumigen Geruch wahrnahm, zog er sie instinktiv näher an sich.
    Die meisten Mädchen im Stamm nahmen sich vor ihm in

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