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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Junge, …«, setzte sie an, »ist er dein Sohn?«
    »Für wie alt hältst du mich eigentlich, Siedlerin?«
    »Ich bin keine Expertin, was Fossilien angeht, aber ich würde sagen, zwischen fünfzig- und sechzigtausend Jahre.«
    »Achtzehn. Und er ist nicht mein Sohn.«
    »Ich bin siebzehn.« Sie räusperte sich. »Du siehst nicht aus wie achtzehn«, sagte sie nach einer Weile. »Ich meine, einerseits schon, andererseits aber auch wieder nicht.«
    Wahrscheinlich wollte sie, dass er sie jetzt fragte, wieso er nicht so aussah wie andere in seinem Alter, dachte Perry. Aber es interessierte ihn nicht.
    »Mir geht es übrigens gut. Ich habe Kopfschmerzen, die nicht weggehen, und meine Füße tun weh wie verrückt. Aber ich denke, ich werde schon noch einen weiteren Tag überleben. Sicher bin ich mir allerdings nicht. Die Geschichten besagen, dass die Krankheiten sich schleichend ausbreiten.«
    Perry dachte an Talon und Mila und biss die Zähne zusammen. Sollte sie ihm etwa leidtun, weil sie möglicherweise krank werden würde? Ein Leben ohne Leiden oder Krankheit konnte er sich überhaupt nicht vorstellen. Er holte die beiden Decken aus seiner Tasche. Nach dem Schlaf würde der Morgen anbrechen, und der Morgen würde ihn näher zu Marron bringen.
    »Warum schaust du mich eigentlich nie an?«, fragte sie. »Weil ich eine Siedlerin bin? Halten Außenseiter uns für hässlich?«
    »Welche Frage soll ich zuerst beantworten?«
    »Spielt keine Rolle. Du wirst mir ja doch nicht antworten. Du beantwortest keine meiner Fragen.«
    »Du hörst nicht auf, ständig neue zu stellen.«
    »Siehst du, was ich meine? Du meidest meine Blicke und drückst dich vor meinen Fragen. Du weichst allem aus.«
    Perry warf ihr die Decke zu. Da sie nicht damit gerechnet hatte, traf die Decke sie mitten ins Gesicht. »Im Gegensatz zu dir.«
    Wütend riss sie die Decke an sich und musterte ihn finster. Obwohl sie außerhalb des Lichtscheins saß, der vom Feuer ausging, konnte er sie immer noch genau erkennen.
    Im Schutz der Dunkelheit erlaubte er sich ein amüsiertes Grinsen.
    Stunden später erwachte er vom Klang einer Stimme, die leise sang – Worte in einer Sprache, die er nicht kannte, die ihm jedoch bekannt vorkam. Eine solche Stimme hatte er noch nie gehört, so klar und volltönend zugleich. Er glaubte zu träumen, bis er das Mädchen sah. Sie war dichter ans Feuer gerückt, näher zu ihm. Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen und wiegte sich vor und zurück. Er nahm den salzigen Geschmack von Tränen in der Luft wahr und dann einen roten Blitz von Angst.
    »Aria«, sagte Perry. Dass er sie beim Namen nannte, überraschte ihn selbst. Er beschloss, dass der Name zu ihr passte. Er hatte einen eigenartigen Klang – so, als sei allein schon ihr Name eine Frage. »Was ist denn los?«
    »Ich habe Soren gesehen. Den Jungen von dem Feuer in ­jener Nacht.«
    Sofort sprang Perry auf und starrte in den Nebel. Er hatte Nebel noch nie leiden können – schließlich raubte er ihm einen seiner Sinne. Doch seinen anderen, stärker ausgeprägten Sinn besaß er noch: Er atmete tief ein, darauf bedacht, sich möglichst nicht zu bewegen. Ihre Angst verflocht sich mit dem Holzrauch, doch Gerüche von anderen Siedlern nahm er nicht wahr. »Du hast geträumt. Außer uns ist niemand hier«, verkündete er schließlich.
    »Wir träumen nicht«, erklärte sie.
    Perry runzelte die Stirn, beschloss aber, sich über diese seltsame Feststellung nicht den Kopf zu zerbrechen. »Hier ist weit und breit keine Spur von ihm.«
    »Ich habe ihn aber gesehen «, sagte sie. »Es fühlte sich real an. Es fühlte sich genau so an, als wäre ich mit ihm in einer der Welten.« Sie wischte sich mit der Decke über die feuchten Wangen. »Und ich konnte ihm wieder nicht entkommen.«
    Perry wusste nicht, was er tun sollte. Wäre sie seine Schwester oder Brooke gewesen, hätte er sie jetzt in den Arm genommen. Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er sie beschützen würde, doch das hätte nicht der Wahrheit entsprochen. Er würde sie zwar beschützen – aber nur so lange, wie es dauerte, Talon zurückzubekommen.
    »Könnte es eine Nachricht über dein Augendings gewesen sein?«, fragte er.
    »Nein«, sagte sie energisch. »Es funktioniert noch immer nicht. Aber das Seltsame ist, dass ich gesehen habe, was ich in jener Nacht aufgenommen habe. Ich hab Soren dabei aufgenommen, als er … mich angegriffen hat.« Sie räusperte sich. »Und genau das hab ich wieder gesehen …

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