Gebieterin der Finsternis
er verloren, indem er irgendwelchen Menschen folgte.
Obwohl Artemis ihn belogen und auf die schändlichste Weise benutzt hatte – ja, sie hatte ihn rasend wütend gemacht –, konnte Mac an nichts anderes denken, als dass er sie rechtzeitig vor dem Urteil des Sidhe-Rats in Sicherheit bringen musste. Ihre Affinität zur Todesmagie mochte verstörend sein, und Mac war sicher, dass sie sich mit einem Dämon eingelassen hatte, aber dennoch wollte er nicht, dass sie verletzt wurde, Kind oder nicht.
Er war ein verdammter Idiot. Die Schlacht zur Rettung Tains hatte Macs Verstand offenbar ebenso beschädigt wie seine Seele.
Die verschlossene Tür zum Rat stieß er kurzerhand auf, ohne auch nur seine Schritte zu verlangsamen. Allerdings musste er im grellen Licht zunächst blinzeln.
Drinnen stützten acht Alabastersäulen das himmelblaue Deckengewölbe. Artemis stand auf einem Podest in der Mitte des Raums und hob erschrocken den Kopf, als die Tür gegen die Wand knallte. In ihren Augen leuchtete kurz etwas wie Hoffnung auf, während Mac dem Impuls widerstand, zu ihr zu eilen. Das wäre sinnlos, denn sie stand auf dem Schuldigenpodest, und dem Sidhe-Gesetz zufolge durfte niemand bei ihr stehen.
Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt, ihre Lippenfest zusammengepresst – versiegelt, wie Mac annahm. Niniane schätzte es nun einmal nicht, wenn man ihr widersprach.
Mac sah zu seiner Mutter. Sie wartete vor ihrem Thron, einem von sieben juwelenbesetzten Stühlen in den Säulenzwischenräumen. Das unerwartete Erscheinen ihres Sohnes schien ihr nicht zu gefallen, so wie sie die Lippen schürzte.
In Macs Brust regten sich die widerprüchlichsten Gefühle. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte er kein Dutzend Worte mit seiner Mutter gewechselt – seit dem Tag, als er ihr erzählte, dass ein Ewiger ihre einzige Tochter durch ein Portal ins Totenreich entführt hatte. Wieso er geglaubt hatte, auf die Nachricht hin auch nur den Hauch von Bedauern an Niniane zu erkennen, war ihm selbst schleierhaft. Leannas Schicksal hatte seine Mutter überhaupt nicht berührt. Und jetzt, obwohl er seine Mutter liebte und wusste, wie sehr sie unter seiner Distanziertheit litt, brachte er es kaum fertig, sie anzusehen.
»Manannán, was in aller Welt tust du hier? Deine Anwesenheit ist nicht erforderlich.«
Mac verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an eine der Säulen. »Ich denke doch. Die Frau fällt in meine Zuständigkeit, wie dir zweifellos bewusst sein dürfte.«
Niniane winkte ab. »Sie war nicht in deinem Gewahrsam, als ich sie aufgriff, und ich habe den Rat bereits zusammengerufen. Wir werden die Verbrecherin prüfen und unser Urteil fällen. Übrigens möchte ich hinzufügen, dass du sie schon gestern zu uns hättest bringen sollen. Mit dem weiteren Verfahren hast du nichts zu tun.«
»Das werden wir ja sehen.«
Niniane schnaubte verärgert. Als eine Glocke schlug, verkrampfte Artemis sich sichtlich. Eine Tür genau gegenüber der, durch die Mac hineingekommen war, öffnete sich. Dieszweite Portal führte geradewegs in die keltische Anderwelt und öffnete sich ausschließlich den Mitgliedern des Sidhe-Rats, den Ältesten, die über menschliche Vergehen gegen keltische magische Kreaturen richteten.
Einer nach dem anderen erschienen die Ratsmitglieder und verbeugten sich vor ihrer Königin. Mac betrachtete die Ältesten. Ins faltige Gesicht von Saraid, der ältesten Sidhe, hatten sich sechs Jahrtausende eingegraben, und dennoch waren ihre blauen Augen so leuchtend wie die eines Kindes und ihre spitzen Ohren kein bisschen eingefallen. Ihr knorriger Eibenstock klackerte laut im Rhythmus ihrer langsamen Schritte auf dem Steinboden.
Hinter Saraid kam ihr Sohn, Briac, finster und ernst, der beinahe so uralt war wie seine Mutter. Der Hermelinsaum seines Umhangs hinterließ eine Funkenspur auf den Steinen. Nach Briac folgten drei telepathische Schwestern. Sie waren als Drillinge geboren, was in der Sidhe-Geschichte ein höchst seltenes und gefeiertes Ereignis darstellte. Ihre üppigen roten Locken fielen ihnen wie Flammen über den Rücken. Enid, Enys und Erlina – Mac konnte sie nie auseinanderhalten – waren berühmt dafür, seit Jahrhunderten sehr faire Urteile in Sidhe-Menschen-Disputen zu verfechten.
Tadc kam als Letzter. Sein hüftlanges blondes Haar war so stramm geflochten, dass er davon Kopfschmerzen bekommen müsste. Von allen Ratsmitgliedern hegte Tadc eine Verachtung für die Menschen, die nur noch durch
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