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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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meinen Prügel ...«, antwortete der andere, einer dieser zahlreichen Konjunktiv-Helden und hypothetischen Casanovas, und die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
    Alex sperrte sich in eine Kabine, er wollte mit einem Steifen nur unbeobachtet auspacken. Noch nie hatte er sich in einer öffentlichen Toilette einen runtergeholt, und auch jetzt ließ er es sein, so sehr es ihn auch nach Befriedigung verlangte. Natürlich ließ er es sein. Wieso dachte er überhaupt daran? Zwei Bier waren doch nicht viel. Kopfschüttelnd pinkelte er und ließ den Blick über die mit zahllosen Band- und Besuchernamen übersäten Kacheln schweifen.
    Beim anschließenden Händewaschen starrte er sich im Spiegel in die braunen Augen. Sprich sie an, verdammt noch mal. Sprich sie einfach an.
    Mehr als eine Abfuhr konnte er sich nicht einhandeln.
    Gut, er würde sich wie ein Käfer fühlen, klein und unbedeutend, aber auch das ging vorbei. Wenn er schon vorher aufgab und sie gar nicht erst ansprach, würde er sich wie eine Maus fühlen, das war nicht besser.
    »Mann oder Maus?«, hatte ihn Veronika immer gefragt, und jetzt fragte er es sein Spiegelbild und musterte es skeptisch. Seine Bartstoppeln erschienen ihm plötzlich nachlässig und überhaupt nicht cool. Wenigstens hatte er die schulterlangen schwarzen Haare frisch gewaschen, dann wirkten sie nicht so dünn. Mit den Händen fuhr er zweimal hindurch und wusste nicht, was er mit ihnen anstellen sollte. Nein, nicht zusammenbinden. Gut, dass er seit dem letzten Jahr wenigstens Linsen und keine Brille mehr trug. Trotzdem musterte er sich unsicher.
    Verdammt, er war doch ein Mann, kein Mädchen! Einer von jenen, vor denen Mütter ihre Töchter warnten. Es wurde Zeit, dass er sich wie einer verhielt, schließlich wollte er die Töchter ja nicht enttäuschen. Besonders diese eine nicht. Niemand verwandelte ihn in einen Käfer!
    Lässig grinste er in den Spiegel, nickte gewichtig und schritt wieder hinaus ins Getümmel. Sieh es einfach als Jagd, sagte er sich, und sie ist die größte Trophäe im Revier. Der Gedanke gefiel ihm.
    Noch immer saß sie ruhig am Tresen und wurde noch immer von hundert Blicken gestreift, kurz fixiert von schüchternen Augen aus allen Ecken. Der Mann, der gerade noch gesagt hatte, er sei treu, stand einen knappen Meter von ihr entfernt, nickte cool zur Musik - das hypnotische Love under Will von den Fields of the Nephilim - und trommelte mit den Fingern gegen seine schwarze Lederhose, während er auf sein Getränk wartete. Alex sah, wie er mehrmals Luft holte, ansetzte, etwas zu sagen, ihr den Kopf halb zuwandte, doch bei keinem Anlauf brachte er tatsächlich etwas heraus, und sie beachtete ihn nicht. Sie saß einfach vor ihrem Cocktail und wartete ab. Der Mann bekam seine Bierflasche gereicht, verharrte noch eine Sekunde, stieß sich dann vom Tresen ab und stapfte mit verkniffenem Mund davon.
    Maus, dachte Alex.
    Nach diesem Kerl war es nun also an ihm, sich zum Affen zu machen, und noch bevor er wusste, was er sagen sollte, stand er auch schon am Tresen und bestellte: »Ein Pils, bitte.«
    Der Barkeeper nickte.
    »Oder warte. Mach mir einen Caipi, ja?«, korrigierte er sich. Das dauerte länger, da blieb ihm mehr Zeit nachzudenken, wie er sie ansprechen könnte. Sein Hirn war vollkommen leer, jeder Satz, den er zu dieser Frau sagen konnte, erschien ihm banal und hohl. Käfersprech eben. Die Narbe auf seinem Unterarm juckte plötzlich, was sie sonst nur tat, wenn das Wetter umschlug.
    »Ist nicht leicht, sich zu entscheiden, was?« Die Schöne lächelte ihn an, ihre Stimme klang tief und weich.
    Jetzt wusste er noch weniger, was er sagen sollte, fühlte sich beinahe wie ein Teenager. Ja, sogar fast wie damals bei Simone in der Grundschule. Aber sie hatte ihn tatsächlich angesprochen. Sie ihn! Nicht anders herum.
    Sein Herz schlug noch schneller, und er wartete nur darauf, dass er errötete wie mit sechzehn. Seine Hilflosigkeit war ein weiterer Brocken Nahrung für die tief in ihm lauernde Abneigung.
    »Die mixen hier gute Cocktails«, sagte sie, und der Barkeeper grinste glücklich, als hätte er sie über die Musik hinweg verstanden.
    »Dann habe ich ja das Richtige gewählt.« Er lächelte und war froh, dass er nicht gestottert hatte. »Ich bin Alex.«
    »Danielle«, sagte sie und hielt ihm die rechte Hand entgegen. Sie trug zwei goldene Ringe mit blauen Steinen und hatte die langen Fingernägel vorn weiß lackiert. Das konnte er ebenso wenig leiden wie rosa Lippen,

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