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Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
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wenn man sie hätte machen lassen, was sie wollten.» Immer wieder verweist Deffner auf das Urteil der Augsburger Spruchkammer. Zweimal nimmt er während der Vernehmung noch seine Herztropfen, bis sie um 18.30 Uhr zu Ende ist. 1978, nach der Anhörung einer ganzen Reihe ehemaliger SS-Wachmänner aus Kottern, die von irgendwelchen Häftlingstötungen nichts wissen wollen, wird das Verfahren eingestellt. Diese Zeugen zeichnen von Deffner das Bild eines «anständigen Menschen, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte». Der polnische Hauptbelastungszeuge ist inzwischen gestorben, und im Schlussvermerk des Bayerischen LKA, das in diesen Ermittlungen nicht gerade besonders eifrig erschien, kann man seltsame Sätze lesen: Häftlingstötungen seien nicht bewiesen, im Gegenteil, unter den Häftlingen selbst solle es zumindest eine Auseinandersetzung mit Todesfolge gegeben haben. Die Unterlagen aus dem Dachauer Prozess hätten die gegen Deffner erhobenen Vorwürfe entkräftet, andere Zeugen konnten nicht ermittelt werden, und: «Es ist überhaupt zweifelhaft, wie der Zeuge C. die angeblich den ganzen Tag über währenden Misshandlungen beobachtet haben will, wenn er doch, wie alle anderen Häftlinge, tagsüber schwer arbeiten musste … (…).»
    «Mein Vater hatte sich nichts vorzuwerfen», sagt am Telefon Deffners 70-jährige Tochter. «Er nutzte seine Position als Lagerführer, soweit es ihm möglich war, immer dazu, das Leben der Häftlinge zu erleichtern.» In den 1960er-Jahren sind die Kinder der Deffners in die USA ausgewandert. Der Weg zu ihnen führt über die Friedhofsverwaltung, die für das Grab der Eltern in Leitershofen zuständig ist. Deffners Tochter redet leise und mit Bedacht. Sie freue sich über das Interesse an ihrem Vater, sagt sie gerührt. Es war ihre Mutter Josefa, die damals, nach dem Krieg, in das DP-Lager St. Ottilien gegangen war, in dem jüdische Überlebende, darunter fünf der sieben Mütter, untergebracht waren. Sie wollte eine «Charakterbeurteilung» für ihren internierten Mann, der auf seinen Prozess wartete. So erklärt sich also, wie es zu dem Brief Bözsis kam, nicht aber, woher Josefa wusste, zu welcher Überlebenden von vielen Hunderten im DP-Hospital St. Ottilien sie genau hingehen sollte. Hatte vielleicht Josefa ihren Mann auf die Idee gebracht zu helfen? Vor ihrer Hochzeit 1938 hatte sie in München an den Kursen des NS-Reichsmütterdienstes teilgenommen. Von 1933 bis Anfang 1939 sollen 1,7 Millionen deutsche Frauen die Kurse besucht haben, die «reinrassige Frauen» zu höheren Geburtenraten motivieren sollten. Aber erstreckte sich die Kinderliebe dieser Frau auch auf jüdische Kinder? Davon erzählt ihre Tochter nicht, sie weiß darüber wohl auch nichts. Es ist aber auch schwer für sie, noch heute, und wird es immer sein. Aufgewühlt spricht sie von den kirchlichen Persilscheinen für ihren Vater, die sie natürlich nicht als solche bezeichnet. «Seine einzige Schuld war, dass er in der Waffen-SS war.» Den belastenden Aussagen ehemaliger Häftlinge glaubt sie auf keinen Fall. Warum? Sie hat die Antwort gleich parat: «Weil er ein guter Mensch war.» Das Lager Kaufering sei ihr auch bekannt. Sie und ihr Bruder hätten dort ihren Vater als Kinder zusammen mit der Mutter sogar ein paarmal besucht. Sie erinnert sich nur daran, dass eine jüdische Frau damals ihrer Mutter das Haar gerichtet habe, und «sie tat das sehr gerne». Die Mutter habe ihr dann immer etwas zum Essen zugesteckt. Einige Tage später schreibt sie eine E-Mail. In dem nachvollziehbaren Wunsch, den Vater zu verteidigen, greift sie die Opfer an: «Es gibt Menschen, die hassen nur um des Hasses willen. Mein Vater war in Dachau vor Gericht, und es gab dort Zeugen, die gegen ihn sprachen. Aber sie konnten ihre Anklagen nicht beweisen, während mein Vater seine Unschuld durch Zeugen und eidesstattliche Erklärungen beweisen konnte. In den Zeiten, in denen Rache nicht der erste Impuls ist, hätte er für seine Taten Lob verdient.»
    Bözsi Legmann hätte allen Grund zum Hass gehabt. Doch sie wollte und konnte wie viele der Überlebenden nicht hassen. Im Gegenteil: Mit ihrer Aussage rettete sie womöglich das Leben eines SS-Mannes, der bis zu seinem Tod keine Schuldgefühle zeigte und nicht einsah, dass man Menschen nicht eigenhändig umbringen muss und dennoch schuldig sein kann. Ihrem Sohn George erzählte Bözsi nie von Deffner. Über David, Ernö Vadász und die Häftlingsfrauen, die ihr Leben riskierten, um den

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