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Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
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Kirche kann er rasch einen Schlussstrich unter seine SS-Vergangenheit ziehen. Die Hauptkammer der Spruchkammer Augsburg-Land, ein Vorsitzender und zwei Beisitzer, reiht Deffner im Entnazifizierungsverfahren am 23. Dezember 1948 «aufgrund seines anständigen Gesamtverhaltens» in die Kategorie der Mitläufer ein. Damit ist Deffner, Lagerführer eines Konzentrationslagers mit Hunderten von Toten, praktisch rehabilitiert. Nur 1,4 Prozent von mehr als 2,5 Millionen Deutschen, die sich dem Verfahren stellen mussten, werden bis 31. Dezember 1949 als Hauptschuldige und Belastete eingestuft. Die Spruchkammer hält Deffner, der in wirtschaftlich bedrängten Verhältnissen lebe und sich keiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuschulden habe kommen lassen, die Aussagen der Pfarrer wie auch der «KZ-lerinnen» Bözsi Legmann und Schifra Noek zugute. Georg Deffner kann ab jetzt das Leben eines unbescholtenen deutschen Bürgers führen und zeigt, öffentlich zumindest, keine Reue. Er arbeitet bis zu seiner Pensionierung als städtischer Angestellter im Augsburger Schlachthof und verschwindet in der Masse derjenigen, die sich selbst als Opfer fühlen und die Verbrechen leugnen. Noch Jahrzehnte später wird er sich als einen Mann bezeichnen, der «ohne Fehl und Tadel» seinen Dienst für das Vaterland verrichtet habe. Dann nämlich, als ihn seine Vergangenheit noch einmal einholt.
    Im September 1976, Georg und Josefa Deffner sind gerade von einem Besuch bei ihren Kindern in den USA zurückgekehrt, bekommt Deffner eine Vorladung vom Bayerischen Landeskriminalamt in München. Es wird gegen ihn, so steht es in dem Schreiben, wegen des Verdachts des Mordes im Dachauer Außenlager Kottern ermittelt. Was er nicht wissen kann: Die Ludwigsburger zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen sammelt schon seit Ende der 1960er-Jahre, vermutlich im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen ehemaliger KZ-Häftlinge, Zeugenaussagen zu dem Außenlager. Sein Name kommt dabei immer wieder vor. «Deffner war zu uns sehr brutal», sagt zum Beispiel der ehemalige polnische Gefangene Boleslaw C. aus und berichtet von fünf vorsätzlichen Tötungen, die ihm aus der Lagerzeit bekannt seien. Auch ein anderer polnischer Überlebender schildert Deffner als brutalen Menschen, den «alle gefürchtet haben». Nach Kriegsende hatte ihn, wie den Ludwigsburger Akten zu entnehmen ist, Deffners Frau aufgesucht. «Sie war auf der Suche nach Fürsprechern für ihren inhaftierten Mann.» Mehrere Überlebende aus Italien, die in unterschiedlichen Städten wohnen, erinnern sich unabhängig voneinander an schwere körperliche Misshandlungen und blutige Schläge seitens des SS-Lagerpersonals. Auch an einen Landsmann, der nach einer Prügelstrafe die ganze Nacht bei minus 20 Grad im Freien stehen musste, bis er starb. «Bezüglich Kottern ist mir in Erinnerung, dass es dort zwei Männer der Wachmannschaft gab, die ausgesprochen blutrünstig waren: Es waren der Hauptscharführer Deffner (…) und der Oberscharführer Häusler. (…) Ich selbst wurde von Deffner einmal schwer misshandelt. Beide sagten immer, wenn es schiefgeht, dann legen sie uns alle um», erzählt ein österreichischer Überlebender den Ermittlern in Wien.
    Die Vernehmung Deffners in München dauert den ganzen Tag. Im Protokoll wird vermerkt, dass sie «äußerst schwierig war», da der Beschuldigte «sehr aufgeregt und nervös war und Angaben nur in Anwesenheit seiner Ehefrau machte, die ihn gesundheitlich betreute». Er sei schwer leidend, müsse laufend Herztabletten einnehmen und halte das nicht mehr aus, behauptet Deffner, ein Mann, der gerade aus den USA zurückgekehrt ist und nach seiner Vernehmung noch elf Jahre leben wird. Die Vorwürfe der vorsätzlichen Tötung bestreitet er vehement. Die Leute, die so etwas sagten, würden «die Lager verwechseln». Auch sei er nie brutal oder blutrünstig gewesen, seine Aufgaben als Lagerleiter in Kottern, Kempten und Kaufering habe er stets «ohne Fehl und Tadel» verrichtet, als wäre der SS-Dienst in einem KZ nicht schon für sich genommen ein Verbrechen. Er, so Deffner weiter, sei doch schon 1944 «mit seinem Gewissen ins Reine gekommen», indem er in die Kirche eingetreten sei. Eines räumt er ein und zeigt damit, dass er selbst nach 31 Jahren das Unrecht immer noch nicht zu sehen bereit ist: «Mit Glacéhandschuhen sind die Häftlinge nicht angefasst worden … (…) Die wären einem bald auf dem Kopf herumgetanzt,

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