Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Titel: Gebrauchsanweisung für China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Strittmatter
Vom Netzwerk:
und würde von den Gastgebern als Blamage verstanden.
    Eine Warnung noch. Der Besucher, der in China eintrifft mit der festen Vorstellung, Chinesen wüchsen quasi im Reistopf auf, wird erst einmal staunen und vielleicht bald verzweifeln ob seiner scheinbar fruchtlosen Bemühung, im Restaurant eine Schale Reis zu bekommen. Die meisten Kellnerinnenscheinen taub zu sein gegen einschlägige Bestellungen, und es ist ein rechtes Schauspiel, wie sich im Verlaufe eines Abends hilflose Ausländer zum Kasper machen im Kampf um ihre Sättigungsbeilage. Ich habe viele solcher Kämpfe gefochten, und in einigen Restaurants, in denen Ausländer Stammgäste sind, hat das Personal mittlerweile ein Einsehen. Sie sind jedoch die Ausnahme – und dies ist die Regel: Reis gibt es erst am Schluss eines guten Essens, noch nach der Suppe. Aber ernährt man sich nicht in dieser Ecke der Welt, zumindest in Südchina, seit vier Jahrtausenden vom Reis? Gerade deshalb. Ein Festmahl ist Urlaub vom Sattmacher: Man will möglichst viel von den guten Dingen genießen, die man sich sonst nicht leistet. Reis stopft, er steht dem Appetit im Weg.

 

Tee
     
     
    Wird in China fast ausschließlich in seiner grünen, nicht-fermentierten Form getrunken. »Schaum flüssiger Jade« haben Dichter ihn genannt. Anders als von Europäern gemeinhin vermutet, fällt Tee kulturgeschichtlich und braupraktisch nicht in eine Kategorie mit Kaffee – eher ist sein Genuss mit dem unseres Weines zu vergleichen. Spätestens seit dem »Teeklassiker« des Tang-Autoren Lu Yü (728–804) ist Teetrinken in China Kulturtechnik und Liebhaberei. Auch die Habenichtse unter meinen chinesischen Freunden finden nichts dabei, ab und zu für ein Pfund guten Tees umgerechnet 100 Euro auszugeben. Unterschieden wird nach Sorten, Anbauorten, Böden, Erntezeit, Weiterverarbeitung und Zubereitung. Gute Restaurants haben eine Teekarte, und nicht selten ist der Tee teurer als das Essen. Wo Europäer des hohen Anteils frischer Gerbsäure wegen oft erst einmal nur »bitter« schmecken, entdecken Chinesen zarte Andeutungen von Olive (beim Longjing -Tee), Orange (bei der Sorte Biluochun ) oder Kastanie (beim Xinyang Maojian ). Auch der Teegenuss vermählt kulturelle Verfeinerung mit simpler Natürlichkeit. In ein Glas guten Tees Zucker, Milch oder Rum zugießen, riefe bei chinesischen Teeliebhabern ähnliche Reaktionen hervor, wie es umgekehrt bei uns die Rotwein-Sprite-Schorle der chinesischen Yuppies tut. Zen-Mönche haben mit Tee ihren Weg ins Nirwana befördert, auf dem Weg dorthin haben sie seine Zubereitung zu einer Feier der Konzentration gemacht: »Zu drei Teilen gegen den Durst, zu sieben Teilen für die Sinne.« Tee zügelt das Temperament, Tee kultiviert. Das Wasser für grünen Tee darf, anders als für schwarzen Tee, nicht kochend heiß sein, es sollte auf 80 Grad abkühlen. Im Alltag benutzen Chinesen weder Sieb noch Filter, sie geben die Teeblätter direkt in große Tassen oder die allgegenwärtigen Schraubgläser, von denen sich Chinas Taxifahrer und Verkäuferin zu keinem Zeitpunkt ihres Arbeitstages mehr als eine Armeslänge entfernen: Tee ist der Treibstoff, mit dem die meisten Chinesen sich noch heute über den Tag retten. Man gießt dieselben Teeblätter drei- bis viermal auf, bevor man sie wegwirft.
    Der Teebusch stammt ursprünglich aus der Gegend des heutigen Yunnan, Händler der holländischen Ostindien-Kompanie brachten ihn Anfang des 17. Jahrhunderts erstmals nach Europa. Die alten Handelsrouten haben ihre Spur hinterlassen in den Namen, welche die Völker der Welt dem Getränk gaben: Das nordchinesische Cha hat sich genau so im Portugiesischen gehalten, Hindi und Russen machten es zu Chai ; Pate für das englische tea , das französische thé und unseren Tee hingegen stand der Amoy-Dialekt der südchinesischen Provinz Fujian – dort heißt Tee nämlich T’e.

 

Prost! Oder: Ex!
     
     
    China produziert zurzeit pro Jahr einer konservativen Schätzung zufolge vier Millionen Tonnen hochprozentigen Reis- und Hirseschnaps. Vor einem Jahrzehnt waren es noch doppelt so viel, es scheint einen bislang noch wenig untersuchten Zusammenhang zu geben zwischen dem allmählichen Dahinscheiden von Chinas Sozialismus und dem Siechtum seiner Schnapsindustrie. Bevor hier jedoch einer zur Grabrede ansetzt: Auch heute sind die Korridore in seinen Behörden noch endlos und die darin fristenden Beamten noch traditionsbewusst genug, um alte Bräuche nicht aussterben zu lassen. Schon

Weitere Kostenlose Bücher