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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stephan
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dieser kleinen Badestellen fehlte die eine oder andere dieser Eigenschaften; und wir stießen auch auf welche, die nur zum Baden oder nur zum Sonnen taugten. Aber immer haben wir uns an diesen oft winzigen Plätzen wohler gefühlt als an den überfüllten offiziellen Gardasee-Stränden.
    Apropos winzig: Natürlich sind auch solche »Geheimbuchten« oft schon belegt; man muß da eben flexibel bleiben. Faustregel: Jede dieser kleinen Badestellen bietet soviel Menschen Platz wie die oberhalb von ihnen abgestellten Autos. Und das heißt umgekehrt: Wer oben an der Straße einen Parkplatz findet, darf auch auf einen freien Badeplatz unten am Seeufer hoffen. Es sei denn, allzu viele Radfahrer machen einem einen Strich durch diese Rechnung …
    Im übrigen verspricht die Suche nach solch kleinen Badestellen an der Westküste, zwischen Riva und Limone zum Beispiel oder zwischen Campione und Gargnano, sehr viel mehr Erfolg als entlang der Gardesana occidentale, einfach deswegen, weil die Ostküste weniger steil zum See hin abfällt. Trotzdem hält auch sie für Entdeckungslustige eine Reihe hübscher Bademöglichkeiten bereit – wenn auch nicht am Seeufer selbst. Worum es geht, läßt sich am besten aus der Distanz, also wieder von der Westküste aus, erkennen: Da sieht man, daß die gewaltigen Abhänge des Monte Baldo, die die gesamte nordöstliche Seeseite beherrschen, immer wieder von schmalen Schluchten zerteilt werden. Durch die allermeisten dieser Schluchten fließen Bergbäche. Gewiß, einige von denen verkümmern in heißen, trockenen Sommern zu spärlichen Rinnsalen, die man unter dem Schluchtgeröll mehr plätschern hört als sieht. Aber wirklich trockene Sommer sind hier eher die Ausnahme, weswegen die Bäche des Monte Baldo in der Regel so lebhaft und machtvoll in Richtung See rauschen, ja manchmal sogar in Richtung See stürzen, wie man das von einem anständigen Bergbach erwartet.
    Geübte Bergwanderer ahnen, worauf wir hinauswollen: So ein anständiger Bergbach bildet gern Gumpen, wannen- bis swimmingpoolgroße Badebecken also, die besonders leicht da entstehen, wo das Wasser über gestuftes Felsgelände strömt. Da trifft es sich gut, was wir von den Geologen erfahren: Über dem grauen Kalkfels, das die bis zu 450 Meter aufragende Basis des Monte-Baldo-Massivs bildet, folgt eine gelbliche Kalksteinschicht, von den Uferbewohnern Oolitico di San Vigilio genannt, nach eben jener Landzunge, auf die wir von der Einsiedelei auf dem Monte San Giorgio heruntergeblickt haben. Dieser nahezu ausschließlich aus Kalziumkarbonat gebildete Stein verkarstet besonders leicht, bildet immer wieder Abbruchstufen und ist durchsetzt mit zahllosen Grotten, Dolinen und natürlichen Brunnenschächten.
    Was solchen Schächten allerdings regelmäßig fehlt, ist das Wasser – jedenfalls da, wo sie sich in den höhergelegenen Flanken des Monte Baldo auftun: Nirgends versickert Wasser so rasch wie im Karst. Dieser Umstand, der Bergwanderern hier die Mitnahme von ausreichend viel Flüssigkeit dringend nahelegt (mehr davon später), erweist sich aus unserer bescheidenen Badefroschperspektive aber gerade als besonders praktisch. Schließlich muß das Wasser, das oben im Berg versickert, irgendwo wieder abfließen. Und das tut es in Form der Bäche, die hier, eben der karstigen Gesteinsbeschaffenheit wegen, tiefer am Berg entspringen als anderswo – und die deshalb auch in Ufer- und Straßennähe meist noch relativ viel Wasser mit sich führen.
    Man muß dabei weder Geologe noch geübter Bergwanderer sein, um an und in den Bergbächen des Monte Baldo sein Badevergnügen zu finden. Überall da nämlich, wo die Straße am Ostufer des Sees ein Bachbett überquert, besteht Gumpenverdacht. Um dem näher auf den Grund zu gehen, sollte man sich allerdings vom Grund fernhalten, vom Schluchtgrund nämlich. Das Herumklettern in Schluchten überläßt man, zumal wenn man das oberhalb liegende Gelände nicht kennt, besser den Canyoning- Experten. Auch wenn die gebirgige Umgebung des nördlichen Seeteils die schnelle Verbreitung dieser und verwandter Sportarten wie des Rafting heftig begünstigt – als noch so entdeckungsfreudiger Vergnügungsreisender sollte man auch hier nach Trampelpfaden suchen, die einen außerhalb des Bachbetts nach oben leiten. Und nur keine Angst davor, etwas zu versäumen: Wo immer sich lohnende, von der Autostraße aus ohne Gefahr und allzu große Mühe erreichbare Badegumpen finden, führt auch mindestens ein Trampelpfad hin

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