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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stephan
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Motto für einen paradiesischen Gardaseeaufenthalt zu lesen, obwohl er bereits 1565 in den Marmor gehauen wurde und sicher eher moralisch als hedonistisch gemeint ist: Vive ut post vivas, lebe so wie du nach dem Tod leben mögest – also doch wohl paradiesisch, oder?
    Otto Erich Hartleben starb 1905 in seiner Villa. Auch wenn die Urlaubermassen damals immer noch 50 Jahre auf sich warten lassen sollten: die touristische Kolonisation des Gardasees durch deutschsprachige Gäste hatte ohne Zweifel längst eingesetzt – zumal da auch der überwiegende Teil der Hotels in Riva und am Ostufer von Anfang an in deutschem oder österreichischem Besitz war. Und damit nicht genug, begann sich deutsch-österreichische Geschäftstüchtigkeit bald auch des westlichen Ufertourismus zu bemächtigen. Das bemerkenswerteste Resultat dieser Anstrengungen existiert heute noch, und jeder, der auf der westlichen Seeuferstraße zwischen Toscolano-Maderno und Salò unterwegs ist, bekommt es unweigerlich zu Gesicht: Das Grand Hotel in Gardone, genannt auch Gardone Riviera. Kommt man von Norden, erkennt man sofort, wie der Ort zu seinem schmückenden Beinamen kommt: Die steil abfallenden Hänge der Brescianer Berge, die das gesamte Westufer bisher begleiteten, weichen genau bei Gardone plötzlich zurück und machen einer mit Zypressen, Olivenbäumen und hohem Lorbeergebüsch bestandenen Hügellandschaft Platz, die vergleichsweise sanft zur Kuppe des 907 Meter hohen Monte Lavino ansteigt.
    Mit dieser Umgebung erinnert der Ort in der Tat, und mehr als alle anderen am Seeufer, an die Riviera. Überhaupt ist Gardone die große Ausnahme unter den Uferorten. Weder eng zwischen den See und die Berge gequetscht wie Limone, Torbole, Gargnano oder andere Gemeinden der nördlichen Seehälfte noch wie die Städte des Südufers unbekümmert in die Weite ihres flachen Hinterlands gebaut. Am ehesten ließe sich Gardone noch mit den gegenüberliegenden Orten an der Ostküste vergleichen, also mit Garda und Bardolino, doch anders als Gardone sind – und vor allem waren – diese beiden Orte vom Etschtal und von Verona aus ohne alle Mühen zu erreichen.
    Doch gerade die relative Abgeschiedenheit Gardones, die aus dem Gesichtspunkt des heutigen Massentourismus als Nachteil gelten würde, machte für die Luxusreisenden des späten 19. Jahrhunderts den Vorteil dieses Ortes aus: Hier blieb die vornehme Welt weitgehend unter sich – und hatte dennoch Platz, sich zu entfalten: An der Seepromenade von Gardone Riviera und auf den Hängen ringsum stehen vermutlich mehr hochherrschaftliche Villen als am gesamten übrigen Gardasee zusammen.
    Seinen wirklichen touristischen Aufstieg aber verdankt Gardone der Medizin, genauer gesagt dem ursprünglich im ostwestfälischen Bad Lippspringe praktizierenden Lungenfacharzt Dr. Ludwig Rohden. Der schickte ausgewählte – und das hieß auch: ausgewählt wohlhabende – Patienten zur Kur hierher, nachdem er sich persönlich von der heilkräftigen Wirkung des milden Gardaseeklimas überzeugt hatte. Untergebracht waren Rohdens Luftkurgäste zunächst im Albergo Pizzoccolo. Dieses eher kleine Hotel drohte freilich bald aus allen Nähten zu platzen, zumal da immer mehr deutsche Mediziner es Rohden nachtaten und ihren Kranken gleichfalls eine Luftkur am Gardasee verschrieben.
    Besitzer des Albergo Pizzoccolo war damals der in Österreich geborene Ingenieur Louis Wimmer. Der nun erkannte sehr früh, daß dieser Ort auch gesunde Menschen anziehen mußte, die zwar genug Geld, aber nicht immer Zeit oder Lust hatten, sich in einer Privatvilla einzuquartieren. Also trieb Wimmer Kapital auf und erbaute, nahe bei der Schiffsanlegestelle von Gardone, sein Grand Hotel, eine Art »Zauberberg« am Gardasee. Bis heute hat das sich lang am Ufer hinstreckende, mit großzügigen Seeterrassen ausgestattete, mit einem eigenen Turm bewehrte und überhaupt ganz im Imponierstil der Gründerzeit gehaltene Gebäude nirgendwo am See seinesgleichen.
    Mit Wimmers Hotel und anderen Unternehmungen, die der Hotelbau nach sich zog (eine davon, das dem Grand Motel gegenüberliegende Caffé Wimmer, hat gleichfalls vom 19. bis ins 21. Jahrhundert überlebt), begann nicht nur die Metamorphose von Gardone zu Gardone Riviera, sondern auch der erste große touristische Boom am Gardasee. Weil das jede Menge Geld und Arbeitsplätze hierherbrachte, waren die Einwohner von Gardone so dankbar, daß sie Louis Wimmer 1881 zum Bürgermeister ihrer Gemeinde machten.
    Ein

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