Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Fußwanderer und Maulesel gangbare Felsstufe führende Route hinauf zum San-Giovanni-Paß – und von dort über einen steil abfallenden Schrofenhang endlich in den Gardasee.
Die »leichte« erste Etappe des Wegs bewältigten die Kriegsschiffe mit Hilfe von 2000 Zugochsen und etlichen Tonnen Schwarzpulver, das den venezianischen Pioniertruppen zur Freisprengung des Anstiegs diente. Dann wurde der gesamte, damals den Loppiosee umstehende Bergwald gefällt (von den prompt einsetzenden Muren und Lawinen, die sich von da an ungehindert Richtung Loppio und Mori bewegten, ist in den regionalen Chroniken noch Jahrzehnte später die Rede) und die Baumstämme zu Rollen verarbeitet, auf denen man an Tausenden von Seilen die Flotte erst auf die Paßhöhe zog und sie anschließend in den Gardasee hinunterließ.
Das Verblüffende an dieser Leistung wird dem Interessierten erst klar, wenn man die Ausmaße der transportierten Schiffe kennt. So war jede der sechs Galeeren 50 Meter lang und sechs Meter breit, verfügte über zwei große Masten und über 50 Rudererplätze. Und, fast unglaublich: Keine einzige Galeere und auch keines der anderen Schiffe ging zu Bruch. Jedenfalls nicht, solange die Flotte mit ihrer Bergtour beschäftigt war. Zu Schäden kamen sie erst, als sie wieder im Wasser schwammen. Schließlich hatten die mailändischen Besatzer von Riva den schwierigsten und letzten Teil des Transports vom unweit des Passes gelegenen Castel Penede zum Seeufer von Torbole tagelang mit bloßen Augen verfolgen und sich entsprechend auf das feindliche Unternehmen einstellen können. Am 20. November 1439 entschlossen sie sich dann zum Eingreifen, und es kam bei Torbole zu einer Seeschlacht, während der ein großer Teil der so mühsam herangeschafften venezianischen Flotte binnen weniger Stunden versenkt wurde.
Eine militärische Tragödie? Allenfalls eine vorübergehende: Noch grasten ja die Zugochsen drüben im Etschtal, noch lagen die Rollen bereit und hingen die Lastenseile in den Felswänden. Also konnten die Verlierer auf schnellstem Wege Ersatz aus Venedig heranschaffen, wobei sie diesmal – Erfahrung macht klug – auf den Transport ganzer Schiffe verzichteten und sich nur das Material liefern ließen, um in der folgenden Winterpause sechs neue Galeeren und ein paar Dutzend weitere Barken zu bauen. Anschließend warteten beide Flotten auf den Frühling, die venezianische im Hafen von Torbole, die der Mailänder schräg gegenüber im nur 2500 Meter davon entfernt liegenden Hafen von Riva. Am 10. April des folgenden Jahres war das Kriegsglück dann bei den Schnelleren: Die Venezianer, die ihre Ankerplätze noch bei Dunkelheit verlassen hatten, überrumpelten ihre Gegner in deren Hafen, enterten nach heftigem Kampf die mailändischen Schiffe und gewannen Riva schließlich zurück.
Der Gardasee war von da an wieder fest in den Händen Venedigs. Die Herrschaft der Serenissima dauerte mehr als 350 Jahre; beendet wurde sie erst durch Napoleon, der 1796 die venezianische Republik zunächst eroberte und anschließend auflöste. Im Jahr darauf, nach dem Frieden von Campo Formio, kehrten die Mailänder ans Westufer des Sees zurück, zunächst allerdings nur als Untertanen der von Napoleon gegründeten Cisalpinischen Republik, während Riva, das gesamte Ostufer und Verona an Österreich fielen.
Die Trecking-Tour der venezianischen Flotte zum Gardasee war seinerzeit eine europäische Sensation; der Chronist und Historiker Sebellicus hat sie ausführlich geschildert, und Tintorettos Deckengemälde der Seeschlacht von Riva ist über der großen Ratstreppe des Dogenpalastes von Venedig zu besichtigen. Um so erstaunlicher ist es, daß die Geschichte dieser Expedition heute außerhalb der Gardaseeregion vollkommen in Vergessenheit geriet. Eher unauffällig, auf einer Felswand seitlich der Paßhöhe von San Giovanni, ist auch die Metallplatte angebracht, die vorübergehende Wanderer und Spaziergänger an das Ereignis erinnert. Und in dem Ausstellungsraum des Burgmuseums von Malcesine, der der ausführlichen Dokumentation jener spektakulären Ereignisse gewidmet ist, trifft man selten einmal mehr als eine Handvoll Besucher.
Doch soweit sind wir noch nicht. Erst einmal machen wir es den Schiffen nach und bewegen uns vom San-Giovanni-Paß abwärts in Richtung Torbole.
3. Kontaktaufnahme oder
An Goethe kommt keiner vorbei
Im Auto braucht man für den Weg vom San-Giovanni-Paß nach Torbole allenfalls
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