Gebrauchsanweisung für den Gardasee
zahlreichen fliegenden Eis- und Getränkeverkäufer, sondern auch die bis dahin unbekümmert und lautstark miteinander kommunizierenden Zuschauer wunderbarerweise mucksmäuschenstill.
Die allerbesten Plätze in der Arena sind übrigens zugleich die am weitesten von der Bühne entfernten, nämlich die auf den obersten Steinstufen (Kissen und Decken mitnehmen!), von denen aus man nicht nur einen schönen Überblick über das gesamte Innere der Arena selbst genießt, sondern zugleich eine ausgezeichnete Aussicht auf die Türme und Dächer der umliegenden Stadt.
Der zweite Vorteil des Kartendirektkaufs ist ein psychologischer: Wer seine Tickets schon in der Tasche hat, neigt dazu, sich erst relativ spät und dann natürlich auf den kürzesten Weg nach Verona zu machen. Auf diese Weise aber gerät er nicht nur in die Gefahr, in die um und in Verona regelmäßig mit dem Ende der Siesta, also gegen halb fünf Uhr nachmittags, einsetzenden Verkehrsstaus zu geraten, sondern er verpaßt auch das womöglich Beste an so einem Verona-Abstecher: die Reize der von Weinbergen, Zypressenwäldern, Burgen und zahlreichen alten Städtchen und Dörfern geprägten Hügellandschaft südlich des Gardasees, die eine kleine Welt für sich darstellt. Und um die kennenzulernen, sollte man ein paar Umwege auf der Fahrt nach Verona nicht nur in Kauf nehmen, sondern sie sogar einplanen.
Geographisch gegliedert wird diese Miniregion durch den Mincio, den einzigen Wasserabfluß des Sees. Weißweintrauben werden zu beiden Seiten des Mincio angebaut – im Osten, also vom See aus gesehen links vom Mincio, der Bianco di Custoza, im Westen des Mincio dagegen der Lugana. Bricht man vom westlichen Seeufer aus über Desenzano nach Verona auf, sollte man die Route über die sanft hügelige Lugana-Gegend unbedingt der langweiligen Autobahnfahrt vorziehen.
Für die, die vom Ostufer her kommen, erfordert der kleine Ausflug in die Lugana dagegen schon einen etwas längeren Umweg. Doch auch der lohnt sich, nicht nur wegen des Überraschungseffekts beim ebenso eindrucksvollen wie hochabsurden Anblick von Pozzolengo: Inmitten einer friedvoll-idyllischen Felder- und Weingärtenlandschaft taucht da plötzlich eine mit überdimensionalen Mauern und Türmen versehene Bergfestung vor einem auf. Beim Außenanblick kann man es dabei getrost belassen: Die gigantischen Mauern verbergen nicht mehr als ein harmloses Allerweltsdorf.
Anders das ganz in der Nähe gelegene Castellarci Lagusello. Auch hier findet sich eine gewaltige Festungsanlage, die in krassem Mißverhältnis zu den wenigen von ihr geschützten Bauernhäusern steht, die sich in diesem Fall freilich zu einer fast toskanisch anmutenden Dorfkulisse gruppieren. Das Allerbeste an Castellaro ist freilich die links vor dem alten Stadttor gelegene Trattoria La Dispensa: ein kulinarischer Geheimtip, den wir hier nur deshalb – und auch das schwersten Herzens! – öffentlich machen, weil wir uns fest darauf verlassen, daß der überwiegende Teil unserer Leser im Ernstfall dann doch zu bequem ist, die von uns vorgeschlagenen Umwege in Kauf zu nehmen. Jedenfalls würden wir es uns nie verzeihen, wenn diese reizende Dorfgaststätte ihren jetzigen Charme verlöre, der auf der Kombination von unaufwendig schlichtem Ambiente und unnachahmlichem Fingerspitzengefühl bei der Bewahrung und Belebung ländlicher Küchentraditionen beruht. So simple Antipasti wie zartgeräucherte Sardellenfilets auf Kartoffelmus oder Speck mit Feigen geraten hier zur kulinarischen Offenbarung; das gleiche gilt für die mit Kürbis gefüllten Tortellini, die zarten Kalbslenden oder die Entenbrust.
Die hervorragenden Risotti wie die wechselnden Fischgerichte, aber auch die hinreißende Käseauswahl der Trattoria La Dispensa bieten einem zugleich die hervorragende Gelegenheit, den wichtigsten Wein dieser Gegend zu probieren, den strohgelben bis hellgrünen und im Idealfall sehr trockenen Lugana, aus dem auch ein vorzüglicher spumante, also ein Schaumwein, hergestellt wird. Und natürlich läßt sich dieser Wein hier auch kaufen, ebenso wie der Käse und eine Reihe hervorragender selbsteingemachter Marmeladen – schließlich hat sich der Betrieb dieser Trattoria aus einem schlichten Lebensmittelladen heraus entwickelt.
So gestärkt kann man sich nun getrost auf den Weiterweg machen. Wobei das mit dem »gestärkt« keine bloße Floskel ist: Zumindest für die Besichtigung des berühmten Beinhauses der Kirche San Pietro bei Solferino tut
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