Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Restaurant nicht nur genußreich Kaffee trinken, sondern auch ausgezeichnet essen kann – einen traditionsgemäß mit Polenta servierten Hecht vom Grill in herzhafter Kräutersauce etwa, oder die wunderbaren Kartoffelgnocchi mit Muscheln und einem raffinierten roten Radicchiopesto.
Hinter Torri del Benaco darf der auf kulinarische Abenteuer erpichte Seerundreisende getrost erst mal Gas geben und durch das ausschließlich von italienischer Allerweltsküche beherrschte Garda ohne Stopp hindurchrauschen – hier läßt die touristische Wende vorläufig noch auf sich warten. Im großen und ganzen ist das leider auch im nächsten Lieblingsort deutscher Gardasee-Urlauber so, in Bardolino. Doch hier, in dem für den Weinbau auf den Hügeln ringsum (weniger allerdings lange Zeit für die Qualität dieser Weine) berühmten Städtchen, gibt es immerhin einen erwähnenswerten Lichtblick: den Giardino delle Esperidi.
Wie sollte es in dieser Umgebung anders sein: Es handelt sich da um ein Weinlokal, eine enoteca also. Normalerweise hat eine enoteca keine warme Küche, und wenn doch, ist sie keine wirkliche enoteca. Eine Ausnahme von dieser Regel stellt gottlob der Giardino delle Esperidi dar: Zu ausgesuchten Weinen der Region wird eine überschaubare Anzahl von Gerichten gereicht, wobei die Zahl drei eine entscheidende Rolle spielt: Es gibt jeweils drei primi (zum Beispiel lauwarmer Spargelsalat) und drei secondi (Spieß von Seefischen mit grünen Tomaten), die von den drei Inhabern des Lokals in dreiwöchigem Turnus gewechselt werden. Was bedeutet, daß man mindestens sechs Wochen und einen Tag in Bardolino bleiben müßte, um die Variationsbreite dieses Hesperidengartens kennenzulernen …
Gut ertragen ließen sich diese Wochen auch deshalb, weil unter den Winzern der Umgebung von Bardolino – wie überall am Gardasee – mittlerweile die Einsicht gewachsen ist, daß sich die Weinmacherei nicht in schierer Massenproduktion erschöpfen muß. Ein sehr schönes Beispiel für einen gehaltvollen, wunderbar nach Kirschen und Beeren duftenden Bardolino ist der classico superiore von der Azienda la Tende, nach dem man hier oder in anderen Weinhandlungen am Gardasee unbedingt fragen sollte.
Ähnlich verhält es sich mit dem Valpolicella: Auch dessen lange ramponierter Ruf wurde in den letzten Jahren vor allem durch den Einsatz junger Winzer wieder deutlich aufpoliert. Wer gutes Geld ausgeben will, um sich davon zu überzeugen, wie sensationell dieser Rotwein schmecken kann, sollte sich nach einem Superiore aus dem Keller des Winzers Romano dal Forno umschauen; einen weniger kostspieligen, doch sehr runden und harmonischen Valpolicella stellt auch die Azienda Quintarelli her. (Nebenbei gesagt: Die Winzerbetriebe, die wir hier nennen, sollen lediglich Anhaltspunkte geben und keinesfalls die eigene Forschung ersetzen! )
Zur Valpolicellafamilie zählen auch zwei nicht ganz billige, aber mit Recht ruhmreiche Valpolicella-Spezialitäten: der kraftvolle, aus zu Rosinen getrockneten Trauben gewonnene Amarone und der ebenfalls aus gepreßten Trauben gemachte Süßwein Recioto. Vom Amarone schwören Einheimische und die Wagemutigen unter den durchreisenden Gourmets, er passe am besten zu einer besonderen kulinarischen Spezialität des Gardasees, dem geschmorten Pferdefleisch. Nachprüfen läßt sich das im Ristorante Il Porticciolo in Lazise, das genau dafür berühmt ist. Und von wegen, Pferdefleisch fällt in die Kategorie niedere Volksküche: Das kleine feine Porticciolo liegt genau am Jachthafen von Lazise, was sich durchaus auf die Preise niederschlägt. Der Besuch lohnt sich dennoch, Familie Rettini bietet Gardaseeküche sozusagen in veredelter Hausfrauenart, und es muß ja nicht das Pferdefilet sein. Besonders gut geschmeckt hat uns hier der risotto con la tinca (ein Schleienrisotto). Dazu einen Amarone oder auch nur einen rosso superiore zu trinken, wäre allerdings barbarisch – Rotweine, und solch gehaltvolle zumal, würden dem feinen Aroma dieses und anderer Fischgerichte hoffnungslos den Garaus machen.
Weißwein ist also gefragt. Da trifft es sich gut, daß wir hier, am Südende des Gardasees, unsere Seerundreise für einen kleinen Abstecher nach Verona unterbrechen – und daß der kurze Weg dahin uns zunächst durch jenes Gebiet führt, in dem die besten Weißweine der Region gedeihen: das von den Endmoränen des Gardaseegletschers gebildete Hügelland im Süden des Sees.
12. Ohne Julia
oder Durch die Weinberge nach
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