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Gebrauchsanweisung fuer Indien

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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des Hindus lauert hingegen eine grundsätzliche Neigung zu Betrug und Perfidie.« James Mill brachte die besten Voraussetzungen für sein epochales Werk mit: Er hatte Indien nie besucht, er verstand kein einziges Wort irgendeiner indischen Sprache, und er lehnte die Schriften der vorangegangenen Autorengeneration prinzipiell ab. Frei von Wissen oder Erfahrung konnte er die Wahrheit über Indien verkünden. In der Walhalla der Mayaisten gebührt ihm ein Ehrenplatz.
    James Mill war der Urahn einer Dynastie von europäischen Autoren, die Sachkenntnis durch Besserwisserei ersetzten. Sein Werk wurde umgehend zu einem Klassiker. Die Kollegen lobten es in den höchsten Tönen. Macaulay schwärmte, dies sei »das gewaltigste Geschichtswerk in unserer Sprache seit Gibbon.« Kein Wunder, daß Macaulay, der selbst eine steile Karriere als Administrator in Indien machen sollte, in Mills Sprachblasen trat: »Ich habe keinerlei Kenntnis des Sanskrit oder des Arabischen … Aber ich habe noch keinen Orientalisten getroffen, der bestritten hätte, daß eine Regalreihe in einer halbwegs brauchbaren europäischen Bibliothek mehr wert ist als die gesamte eingeborene Literatur Indiens und Arabiens.« (Indien allein war wohl nicht genug.)
    So absurd solche Aussagen heute anmuten mögen, damals übten sie einen enormen Einfluß auf die öffentliche Meinung aus, ein Einfluß, der wohl zum letzen Mal im Jahre 1927 einem einzelnen Buch zukam, Katherine Mayos ›Mother India‹, mit der Absicht geschrieben, in den USA für Unterstützung der britischen Kolonialherrschaft zu werben. Das hinduistische Indien wird als unentrinnbar und hoffnungslos verarmt, erniedrigt und korrupt beschrieben. Mahatma Gandhi hat dieses konfuse Werk einmal mit mehr Humor, als ihm gemeinhin zugetraut wird, als ›Bericht eines Kanalisationsinspektors‹ beschrieben. Die indische Kanalisation hat ihre enorme Anziehungskraft bis zu unseren Tagen nicht eingebüßt, wie man in ›Zunge zeigen‹, einem Reisebericht von Günter Grass, nachriechen kann.

    »Wir Inder sehnen uns danach, auf dem internationalen Parkett Anerkennung zu finden. Aus einem postkolonialen Minderwertigkeitskomplex heraus. Man ist nur wahrhaft bedeutend, wenn man ein Weltklassespieler ist, und das ist man nur, wenn man in den USA und in Westeuropa große Erfolge feiern kann. Hat man es so weit gebracht, fällt man in eine paradoxe Falle durch den korrespondierenden Vorwurf, man habe sich verkauft, man produziere künstlerisch minderwertige Kunst, die sich dem Westen anbiedere. Das ist ein Teufelskreislauf. Wenn wir selbstsicherer wären, unseren Fähigkeiten mehr vertrauen würden, dann würden sowohl das Schielen auf den Westen als auch das Mißtrauen gegenüber dem Fremden nicht in solchen Extremen existieren. Der Westen wird als Gigant und Golem imaginiert, den man beeindrucken und besänftigen will, und das führt zu diesen seltsamen psychologischen Manövern.« (Der Schriftsteller Vikram Chandra in einem persönlichen Gespräch)

5. Masala

    Masala (Gujarati, »Gewürz« ): 1. Ein Gemisch aus gemahlenen Gewürzen, verwendet in der indischen Küche. 2. Jedwede Art von Würze. 3. Eine Vermischung auf fast jedem Niveau und in fast jedem Bereich.

    Die Stimme schwätzt und schwatzt, und wer nach einer Minute noch zuhört, der wird nicht daran zweifeln, daß diese Frau wie jeder gute Radio-DJ Stunden mit ihrem Palaver füllen könnte, in einer etwas schrillen und doch angenehm enthusiastischen Tonlage. Es ist nicht so leicht zu verstehen, wovon sie spricht, aber es fällt ins Ohr, wie oft und mit welcher Selbstverständlichkeit sie vom Englischen ins Hindi und wieder zurück wechselt, manchmal mitten im Satz. So als gebe es eine Sprache, die Hinglisch heißt, und sie ist eine Meisterin dieses Argots, wie in den Gesprächen mit Studiengästen deutlich wird, die sich bei ihren Antworten meistens an eine der beiden Sprachen halten, doch keinerlei Schwierigkeiten haben, ihren Fragen zu folgen. Der Jingle, der alle zehn Minuten ertönt, verkündet den Namen dieser coolen Sendung am Vormittag, dieser Show, die zu den populärsten gehört: Masala Mix.
    Die Inder mögen, wie alle Welt weiß, ihre Gewürze. Keine Überraschung also, daß der erste Privatsender, der 24 Stunden am Tag ausstrahlte, ›Radio Mirchi‹ getauft wurde – Radio Rotes Chili. Stolz verkündete der Vater des Projektes, Vineet Jain, Sproß eines Klans von Medienmoguln, denen auch die meistverkaufte englischsprachige Zeitung ›Times

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