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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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in der Lindenstraße umzugehen war. Der Stasi-Knast lag mitten im Einkaufsviertel. Mit hohen Mauern hatte das kommunistische System seine Kerker von der Bevölkerung abgeschottet. Selbst aufmerksamen Bürgern war entgangen, in welchem Ausmaß unweit des »Broadways« gefoltert wurde. Und das KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße am Neuen Garten drohte unsichtbar in einem Viertel aufzugehen, in dem die Menschen bereit waren, der Stadt für ihre noblen Villenwohnungen einiges an Steuern zu zahlen.
    Die Diskussion wurde erschwert durch die Tatsache, dass keiner der Entscheidungsträger die ebenfalls geerbten inoffiziellen Mitarbeiter im Potsdamer Landtag und in der brandenburgischen Medienlandschaft vor den Kopf stoßen wollte. Man ging sanft mit ihnen um und ließ im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Bundesländern die Überprüfung sozialistischer Altlasten schleifen. Zu dicht war offenbar die Gemengelage zwischen alten und neuen Machern. Heute sind aus den Gefängnissen Gedenkstätten geworden, die mit ihren vergitterten Fenstern und stupiden Betonwänden den Gesamteindruck einer wiederhergestellten, strahlenden Architektur harsch aufreißen.
    Auch der faschistische Terror begann mit einem symbolischen Akt in Potsdam. Vor der Garnisonkirche – Hofkirche der preußischen Könige, die Mitte des 18. Jahrhunderts im Stil des norddeutschen Barock erbaut worden war – reichte Hindenburg im März 1933 Hitler die Hand. Mit dem »Tag von Potsdam« verengte das Naziregime das Bild, das die Welt von nun an von Preußen haben würde, auf Uniform, Waffen und Aufmärsche, und festigte seinen Weg an die Macht. Das Ende dieser verheerenden Macht fand mit der »Nacht von Potsdam« ebenfalls einen symbolischen Ausdruck, als die Kirche infolge eines Angriffs britischer Bomber ausbrannte. Im Sozialismus sprengte man die Überreste. Der Beschluss, die Kirche wieder aufzubauen, folgte einer Restaurationsidee nach der Wiedervereinigung. Als Peter Joseph Lenné vor gut zweihundert Jahren die Havellandschaft gestaltete, orientierte er sich zum Anlegen seiner Sichtachsen an der Garnisonkirche. Wer also die Havellandschaft sehen möchte, wie die höfischen Landschaftsgestalter sie sahen, braucht den Turm dieser Kirche zur Orientierung.
    Und hier scheiden sich die Geister. Solche restaurativen Vorhaben spalten die Potsdamer Bevölkerung in zwei große Lager. Die einen würden die Zeugnisse des 20. Jahrhunderts gern komplett aus der Stadt hinausräumen und sie im historisierenden, beschaulichen Gewand der Preußenherrschaft wiedererstrahlen lassen. Die anderen treten für ein mahnendes Erinnern an die jüngste Vergangenheit ein und sind der Meinung, dass eine »Politik der Versöhnung« (O-Ton Ministerpräsident Platzeck) nicht zwangsläufig bedeuten muss, die Stadt mit einer pastellenen Schicht des Vergessens zu überziehen.
    Schloss Cecilienhof ist unversehrt. Die Gebäude im englischen Landhausstil hatten der letzte deutsche Kronprinz und seine Frau Cecilie bis 1945 bewohnt. Während des Potsdamer Abkommens war hier die Aufteilung des besetzten Deutschlands in vier Zonen und das Ende Preußens beschlossen worden. Dort, wo gewissermaßen der Kalte Krieg begann, sind heute Touristen unterwegs. Kaum einer von ihnen dringt tiefer in den umliegenden Park vor, weshalb die Wege im Neuen Garten bei Einheimischen besonders beliebt sind.
Potsdamer Trunk
    In der Meierei am Ende des Neuen Gartens treffen sich alle. Auf der Terrasse der Gasthausbrauerei sitzen Mütter mit Kindern, Väter mit Kinderwagen und Kinder mit Skateboards, hier sitzen der Computerprogrammierer, der sich entschlossen hat, heute ausnahmsweise nicht nach Berlin zurückzufahren, sondern sich im Maibock-Rausch zu verlieren und im Hotel zu übernachten, die spanischen Touristen, die dem Wassertaxi entstiegen sind und laut über die kupfernen Braukessel staunen, eine Gruppe von Postangestellten auf Betriebsausflug, Pärchen in Jeans und T-Shirt, Pärchen im Gothic-Look mit schwarz lackierten Fingernägeln, Pärchen in Kostüm und Anzug, ein Potsdamer Ingenieur, der eine Hannoveraner Galeristin anzugraben versucht, ein Potsdamer Ingenieur, der das Angraben schon aufgegeben hat, ein Ehepaar mit Siegelringen und Seidentüchlein, das die Kellner mit Vornamen anredet, und die Japanerin, der beim Anblick der Schweinshaxe das Lächeln aus dem Gesicht fällt. Ihr deutscher Freund bemüht sich, schleunigst einen Salat nachzubestellen. Vergeblich. Die Kellerinnen sind überlastet. Die

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