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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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wichtige Gutachten zur schnellstmöglichen Umstellung auf erneuerbare Energien erstellt werden, sondern weil sie auch noch direkt auf dem Tisch der Bundesregierung landen. Der Direktor des Instituts ist Berater der Bundesregierung in Fragen globaler Umweltveränderungen.
Potsdamer Wohnen
    So entstehen am Rande von Potsdam immer mehr hochmoderne, energieeffiziente Häuser, die dafür sorgen, dass Potsdam schleichend ins Land hineinwächst oder das Ländliche nach Potsdam. Die Wohnung, die ich schließlich fand, befindet sich in einem Altbau. Sie ist typisch für Potsdams Kern. Beiderseits der Havel wohnt man in denkmalgeschützten Häusern, die in den letzten zehn Jahren rundum saniert wurden. Man kann sich aussuchen, in welcher historischen Epoche man unterkommen will, und manchmal ist die Epoche noch gar nicht lange her. Die Auswahl in Kürze:
Niedrige, ocker oder grün gestrichene Häuser, die einst arme böhmische Weber bewohnten und heute familienfreundlich mit Gärten und Glasfronten ausgestattet sind.
Backsteinbauten, in denen ehemals Soldaten kaserniert waren und die heute mit modernen Lofts und ungewöhnlichen Schnitten Galeristen, Künstler und Werbedesigner anziehen.
Rot oder blau angestrichene Plattenbauten, in denen ehemals Soldaten kaserniert waren, vor allem russische, und in denen heute Menschen mit geringerem Einkommen wohnen, aber mit fabelhafter Aussicht auf den Volkspark oder den Ruinenberg.
Wohnblöcke aus gelben Glindower Ziegeln, erbaut in den Dreißigerjahren, die etwas Seltenes möglich machen: bezahlbaren Wohnraum am Wasser.
Frei stehende Punkthochhäuser und elfgeschossige Wohnscheiben, die von außen kein schöner Anblick sind, von innen aber einen atemberaubenden Blick über Havel und Seen bieten.
Barocke Häuser in der Innenstadt mit Gärten im Hinterhof, Cafés zur Straße und Dachterrassen, die einst der verbürgerlichte »Etagenadel« bewohnte und heute der eine oder andere »Macher« aus Potsdams Kulturszene.
Häuser aus der Gründerzeit mit sanierten Stuckaturen und verspieltem, frisch abgestrahltem Fassadenschmuck, deren Wohnungen wegen ihrer Größe auch für Studenten-WGs geeignet sind.
Häuser aus der Gründerzeit mit sanierten Stuckaturen, aus der ostdeutsche Mieter sanierungsbedingt verdrängt und deren Wohnungen teuer ausgestattet wurden, bevor man sie an Anwälte, Ärzte, Banker oder Professoren verkaufte.
Wiederhergestellte Villen ehemaliger Fabrikanten und Wirtschaftsmagnaten, die heute mehreren Familien Platz bieten, kulturelle Einrichtungen geworden sind oder immer noch Wirtschaftsmanagern gehören. Unter diesen Villen gibt es jede Menge echter Schmuckstücke und Berühmtheiten wie die Churchill-Villa am Griebnitzsee, die jetzt einem der großen Mäzene von Potsdam, SAP-Milliardär Hasso Plattner, gehört, oder die Villa Kampffmeyer, einst für den gleichnamigen Mühlenbesitzer erbaut, in der der skandalumwitterte frühere Schweizer Botschafter Borer-Fielding und ein Militärattaché der Vereinigten Arabischen Emirate schon zur Miete wohnten. Auch in dieser exklusiven Preisklasse gibt es feine Abstufungen, die das geübte Auge daran erkennt, ob die Villa am Neuen Garten liegt oder in der Nauener oder der Jägervorstadt, wie viele Säulen und Fenster sie hat und ob der See bis ans Schlafzimmerfenster reicht.
    Tritt der seltene Fall ein, dass Leute aus den Villengegenden mit denen aus den Neubauten aufeinandertreffen, führt das nicht unbedingt zu näherem Kennenlernen. Als ich im Fahrstuhl meines Fitnessklubs nach dem Kurs schwitzend unter den anderen Kursteilnehmern stand, wurde ich Zeuge folgenden Gesprächs. Einem hoch aufgeschossenen Mann, Habitus und Kleidung nach Besserverdiener, der Mundart nach Westdeutscher, wurde das verschwitzte Schweigen zu drückend. Er begann eine Unterhaltung, indem er sich über die Mücken beklagte, die die Stadt fest im Griff hätten. »Jede Nacht muss ich vor dem Schlafengehen eine Schlacht schlagen. Ich wohne ja direkt am See. Mein Schlafzimmer geht zum Ufer raus.« Darauf hätte sich vielerlei entgegnen lassen. Im Fahrstuhl rührte sich nichts. Die Besatzung sah schweigend an die Decke. Nachdem der Sprecher ausgestiegen war, sagte ein Mann im Hintergrund, dem Habitus nach Durchschnittsverdiener, der Mundart nach aus Brandenburg, zu seiner Sportkollegin: »Genau das wollten wir jetzt wissen.« Darauf sie: »Du hättest ja sagen können, du wohnst auch am See! Im zehnten Stock.«
    Wer Glück hat, hat Wasser in der Nähe der Wohnung und

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