Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
versank (für einen Film der UFA), und ein kleines Kurortfeeling schaukelt einen leise in die sanfteste der Brandenburger Gegenwarten.
Künstler und Autodidakten
Dann ist es still. Der Teich der Unken,/ das schuppiggrüne Algenglimmen/ tönt klagend nur und dünn und hohl,/ metallner Hall in Nacht versunken.
(Peter Huchel)
Bleiben wir noch ein bisschen bei der Farbe Grün. Grün stimmt bekanntlich hoffnungsfroh. Und wo so viel Hoffnung in einer so vielfältigen Farbgebung vorhanden ist, sind auch bald die Künstler da. Ganze Horden von Dichtern hat es in den letzten Jahrhunderten aufs Brandenburger Land verschlagen, weshalb es unter Kennern auch als »Märkische Dichterlandschaft« bezeichnet wird. Soll heißen, nicht nur Heidelberg hat seinen Friedrich Hölderlin, nicht nur die Nordsee ihren Theodor Storm (der übrigens ebenfalls eine Zeit lang in Potsdam wohnte) oder das Tessin seinen Hermann Hesse. Brandenburg hat Heinrich von Kleist. Nur leider erschoss sich der bedeutendste Brandenburger Dichter relativ früh an einem Seeufer. Brandenburg hat aber auch Bettine und Achim von Arnim und natürlich Theodor Fontane.
Aber es war ein gewisser Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, der bereits im 17. Jahrhundert verstand, dass es die Landsehnsucht ist, die die Menschen ins Brandenburgische zieht, ihr Bedürfnis, mit dem Rauschen der Linde im Einklang zu sein. Er besang in seiner Lyrik die Freuden des Landlebens, was ihm sicherlich leichter gefallen sein mochte als späteren Poeten. Damals bearbeiteten weder mit Aufblendlicht versehene Mähdrescher nachts die Felder, noch klebten Chemieabfälle im Reihergefieder, weshalb diese Vogelart übrigens vorübergehend ausstarb. Die ländliche Idylle begriff Canitz schon damals als Gegenmodell zur Hektik des Lebens in der Stadt und am Hof des Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm. Eigentlich Außenpolitiker, dichtete er heimlich auf seinem Gut in Blumberg. Ein Jahrhundert später griff der Dichterpfarrer Friedrich Wilhelm August Schmidt von Werneuchen noch tiefer in den Wortschatz der Naturidylle. In einer Zeit, in der die Kunst ausschließlich hehren Themen vorbehalten war, wagte er es, in seinen Gedichten auch Frösche unterzubringen. Das Quaken der Frösche, das Röhren im Schilf, das Schleichen der Füchse, das Platschen von Vögeln in der Entengrütze, dieses ganze grün-gelbe Geplätscher und Geraschel sollte später noch von so vielen Poeten so intensiv besungen werden, dass es getrost als eines der Hauptthemen brandenburgischer Dichtkunst bezeichnet werden kann.
Wer es nicht besingen wollte, wollte es zumindest als Hintergrundgeräusch hören. Den expressionistischen Dramatiker Georg Kaiser trieb das grüne Getöse in einen Schreibrausch. In Grünheide bei Berlin verfasste er neunzehn Theaterstücke. Gerhart Hauptmann brauchte zum Verfassen eines naturalistischen Dramas und zweier Novellen das Örtchen Erkner. Seine Frau allerdings schrieb nicht. Sie pries nach den vier Erkner Jahren »jeden Tag das Schicksal, aus der Erkner-Öde befreit zu sein«.
Bertolt Brecht mochte die »Öde«. Buckow am Schermützelsee fand er »friedlich und langweilig genug für die Arbeit« und wahrscheinlich auch weit genug von Berlin entfernt, um nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 der Regierung in seinen Buckower Elegien frech vorzuschlagen, doch das Volk aufzulösen und ein anderes zu wählen. Franz Fühmann baute sich in Märkisch Buchholz eine alte Garage zum Sommerhaus aus. Maxi Wander wanderte aus Österreich in die DDR ein und ließ sich in Kleinmachnow nieder, woraufhin sie mit dem aufsehenerregenden Protokollen über das Leben von Frauen im Sozialismus Guten Morgen, du Schöne! berühmt wurde.
Nicht immer war es die reine Landliebe, die die Dichter hierherzog. Für die Lyrikerin Gertrud Kolmar wurde es zu einer vergeblichen Flucht. Sie versuchte, sich in Falkensee vor den Nazis zu verstecken, bis sie schließlich doch gefasst und nach Auschwitz deportiert wurde. Und dem Lyriker Peter Huchel wurde seine ländliche Enklave bald zum Gefängnis. Der Herausgeber der wichtigen Literaturzeitschrift Sinn und Form wurde von der Staatssicherheit jahrelang in seinem Haus in Wilhelmshorst unter Hausarrest gestellt.
Der Zustrom hält an. Auch heute zieht es Schriftsteller aufs Land. Das lässt sich aber eher mit dem einfachen Prinzip der Verdrängung erklären. Das brodelnde Berlin ist so mit Dichtern gefüllt, dass immer mal wieder einer über den Rand quillt
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