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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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und in Brandenburg landet. Außerdem sind die Chancen, von einem der Berliner Fördertöpfe zu profitieren, angesichts der großen Berliner Dichterdichte extrem gering. In Brandenburg gibt es zwar außer einem mäßig honorierten Autorenstipendium des brandenburgischen Kulturministeriums keine Fördertöpfe, es wäre aber theoretisch leichter, an sie heranzukommen. Und so finden sich neben schon länger ansässigen Schriftstellern wie Günter de Bruyn, Peter Ensikat, Lutz Seiler oder Julia Schoch auch immer mehr zugezogene, unter ihnen Juli Zeh und John von Düffel.
    Natürlich hat so mancher Autor auch immer schon hier gewohnt. Dann sind die Texte meistens nah am Leben der Menschen und manchmal nicht mehr von diesen zu unterscheiden. Erwin Strittmatter wurde in Bohsdorf, in der Nähe von Spremberg, geboren, arbeitete als Zeitungsredakteur in Senftenberg, schrieb Ole Bienkopp und Der Laden im Ruppiner Land und sah immer aus wie einer vom Dorf.
Kunst ist, wenn man’s selber macht
    Jeder, der sich mit einem Erst- oder Zweitwohnsitz in Brandenburg niederlässt, hat, auch wenn er es nicht offen zugibt, einen Hang zur Romantik. Hier zeigt sich: Es ist eine spezielle Romantik, die im Kleinen das Große sieht und den Rausch in der Askese findet, also auf altpreußische Reflexe setzt. Verzicht und Hartnäckigkeit, so die ursprüngliche preußische Maxime, führen schließlich zu Fülle und Schönheit, man muss sich nur in Geduld üben und ein bisschen genauer hinsehen. Wer diese Zeit hat, für den ist es nur noch ein kleiner Schritt von der Bewunderung der Natur zum Impuls, dieser Bewunderung Ausdruck zu verleihen. Deshalb werden in ausgebauten Scheunen von Vierseithöfen Kurse zu Themen wie »Malerei und Poesie«, »Edle Stoffkunst« und »Keramik« angeboten.
    Das Töpfern nimmt dabei eine vordere Position ein. Brandenburg ist eine Töpfereiregion. Ob im Norden oder im Süden, die Drehscheiben surren. Ursprünglich stellte man Ziegeln und Kacheln zum Bau von Häusern und Öfen her. Halb Berlin ist aus Brandenburger Ton gebaut. In der heutigen Tonstichlandschaft nördlich von Zehdenick rauchten bis vor Kurzem noch die Schlote, der letzte Brennofen wurde erst nach der Wende abgestellt. Die enormen Tonvorkommen konnten allerdings auch zu Spitzenzeiten der Ziegelbrennerei nicht aufgebraucht werden. Das war zunächst verwirrend. Wer daran gewöhnt ist, ständig zu wenig von allem zu haben, für den ist ein Zuviel schlicht unbegreiflich. Als die Verwirrung nachließ, fand man, wie in dieser Gegend oft, eine pragmatische Lösung für den Überschuss. Kunst würde man daraus machen, aber eine, die jedermann gebrauchen konnte. Denn schön ist für Brandenburger nur das, was gleichzeitig auch nützlich ist. Schon der Alte Fritz, Friedrich II., konnte mit l’art pour l’art nichts anfangen. Selbst die Künstler hatten dem Staat zu dienen. »… nichts ist verhängnisvoller, als Müßiggang mit anzusehen und unnütze Wesen zu ernähren.« So kommt es, dass man in diesem Landstrich eher eine Keramikkünstlerin wie Hedwig Bollhagen als einen Joseph Beuys verehrt. Bollhagen töpferte in Velten und später in Marwitz schön anzusehendes, schlichtes Alltagsgeschirr. Mit ihrer Stilkombination aus geordneter Bauhausästhetik und Bäuerlichkeit erfasste sie den brandenburgischen Geschmack am tiefsten, bemalte ihn blau-weiß und machte kein großes Gerede darum. Ihre Kunstkeramik bezeichnete sie wegwerfend als »Töppe«. Das entsprach preußischer Zurückhaltung und stimmt heute noch viele Autodidakten optimistisch: Der Abstand zu ihr scheint nicht allzu groß.
    Neben dem Töpfern sind die Aquarellmalerei, die Landschaftsmalerei in Öl oder die Bildhauerei bei den Kursteilnehmern sehr beliebt. Als Vorbilder dienen die Brandenburger Landschaftsmaler, allen voran die Havelländische Malerkolonie, eine Gruppe von Naturimpressionisten, die sich zur vorletzten Jahrhundertwende am Schwielowsee zusammenfand. Mit ihren Bildern werden regelmäßig Ausstellungen in Caputh oder Ferch bestückt werden. Oft sind diese Kurse von Frauen initiiert, die nach der Wende auf dem Land arbeitslos wurden und sich neue Beschäftigungsfelder suchen mussten. Sie bauten Bauernhöfe aus, nannten sie Kunsthöfe und kümmern sich seither ums soziale Miteinander. Viele Dörfer versänken ohne diese Kunsthöfe in grausamer Eintönigkeit. In den bäuerlichen Gemäuern – aufgehübscht durch neue Balken und eine funktionierende Abwasserentsorgung – rückt die

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