Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
Vom Netzwerk:
zweites Regal. Es ist gefüllt mit Salzgurken, Dillgurken, Knoblauchgurken, Chiligurken, Schmorgurken, dünnen Gurken, dicken Gurken, Gurken in Fässern, Gläsern, Bottichen oder gleich mit Pappteller auf die Hand. Die Gurke in der Dose kam erst kürzlich hinzu und eignet sich besonders gut als Mitbringsel für Fernreisende (für Menschen, die, wie man hier sagen würde, in der Welt »herumgurken«). Man kann sie sich als Andenken auf den Schreibtisch stellen oder mit einem demnächst produzierten heimischen Whisky aus dem Gurkenland hinunterspülen.
    Das Mögliner Gut liegt wie viele dieser Höfe so, dass das Adjektiv »malerisch« in der hauseigenen Werbung untergebracht werden kann, zwischen den Laubwäldern der Märkischen Schweiz und dem flachen Auenland des Oderbruchs. Zerschlissene Landstraßen führen an Feldern und Sanddünen vorbei, eine Klosterschänke lädt zum regionalen Bier auf der Seeterrasse ein, ein Lagerfeuer brennt würzig am Eingang.
    Viele der Ökohöfe sind aus LPG-Trümmern entstanden. Gela oder Kerstin oder Ulla hatten einen Traum und haben ihn sich nach der Wende erfüllt. Vorher waren sie als Landwirtschaftsökonomin oder Melkerin angestellt oder gingen noch zur Schule. Mittlerweile haben sie gelernt, wie man Abrissgebäude ohne Wasser und Strom funktionstüchtig macht, mit Banken verhandelt und nebenbei Käse herstellt. Dass es enorm kraftraubend sein würde, aus den abgewirtschafteten LPG-Betrieben nicht nur gewinnbringende, sondern auch idyllische Bauernhöfe zu machen, war in ihren Träumen nicht vorgekommen. Rückblickend hat sich die Viecherei aber gelohnt. Beim Zickleinfüttern kam man dem Thorsten näher, der auf einem Ökobauernhof im Westen die schonende Landwirtschaft erlernte, und im ersten Liebesrausch entseuchten sich die Böden quasi von selbst. Die Tiere sind, so weit dem Nutzvieh das möglich ist, ebenfalls glücklich. Ulla, Kerstin oder Gela gehören zu den wenigen Frauen, die in der Landwirtschaft ein Auskommen finden. Insgesamt sind hier nach der Wende mehr Arbeitsplätze weggefallen als in jedem anderen Wirtschaftsbereich. Von einmal über hunderttausend Stellen sind heute kaum noch die Hälfte übrig.
Kleine Nachbemerkung
    Thaer war zweifellos der berühmteste, aber er war nicht der einzige Reformator der Landwirtschaft, der sich an England ein Vorbild nahm. Frau von Friedland führte nach der Scheidung von ihrem Mann und dem Tod ihres Vaters bereits in den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts als alleinige Gutsherrin ihres Hofes Reformen in Viehzucht und Ackerbau durch. Ihre Tochter, Henriette Charlotte von Itzenplitz, hatte ebenfalls großes Interesse an moderner Landwirtschaft und unterrichtete die Mutter von ihrer Hochzeitsreise nach England aus über die neuesten Entwicklungen in der englischen Agronomie. Aber Frauen durften zu dieser Zeit nicht studieren. So blieben ihre Erkenntnisse in der öffentlichen Welt unbeachtet. Um sich wenigstens mit Künstlern und Gelehrten austauschen zu können, riefen sie auf ihrem Schloss in Cunersdorf einen Salon ins Leben. Laut einer Zeitzeugin lief Charlotte von Itzenplitz dort gern wie »ein alter gestiefelter, gerockter, mit einer Krawatte angethaner Herr mit rund abgeschnittenen Haaren und dem Kastorhut auf dem Kopfe« herum (O-Ton Elise von Bernstorff ), woran sich aber weder die Brüder Humboldt störten noch der Rechtswissenschaftler Savigny und auch nicht Adalbert von Chamisso, der gerade dabei war, seinen Schelmenroman Peter Schlemihl zu verfassen. Die Männer trugen die reformerischen Gedanken der beiden Frauen vielmehr direkt zu den Aufklärern nach Berlin, womit bewiesen ist, dass die Impulse einer der größten deutschen Geistesbewegungen ebenfalls vom Land kamen, und zwar aus Brandenburg!

Ohne Sorge!
    Auch die glücklichste Landschaft … kann durch die richtige Anwendung der Gartenkunst … ästhetisch aufgeschmückt und ökonomisch verbessert werden.
    (Peter Joseph Lenné)
    Brandenburg und der Blues gehören zusammen. Man setzt sich ins Auto und zieht sich die Landschaft rein. Man fährt die Fenster runter, öffnet das Sonnendach, klappt das Faltdach des Cabriolets nach hinten, dreht die Musik auf volle Pulle, und dann ab auf die Dorfstraßen. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit sind die Parks. Die Parks sind das Gegenteil der Ödnis. Sie sind die Gegenwelt zum fruchtlosen Land. Sie sind das Aufbegehren einer verschmähten Landschaft. Die Wiedergutmachung am missbrauchten, geschundenen,

Weitere Kostenlose Bücher