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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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einer säkularisierten Gesellschaft.
    In den Schulen ist Religionsunterricht nicht obligatorisch. Nach der Wende wurde das Fach LER eingeführt: Lebensgestaltung-Ethik-Religion, das sich allgemein mit philosophischen Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt. In Brandenburger Kirchen werden häufiger Stadtfeste als Gottesdienste gefeiert. Die Mitglieder der mehr als zweihundert Fördergemeinden, die sich um den Erhalt der Kirchen kümmern, sind großenteils konfessionslos. Pfarrer predigen angesichts der geringen Zahl an Gläubigen lieber in kleinen beheizbaren Räumen als in der Kirche vor leeren Bänken und betreuen viele Gemeinden gleichzeitig. Zu Weihnachten und Ostern führt das gelegentlich zu Engpässen, wenn auch die Brandenburger das Bedürfnis nach Feierlichem überkommt. Zur Heiligabend-Vesper hörte ich einen leidgeprüften Pfarrer der ungeübten Gemeinde in der überfüllten Kirche die Anweisung geben: »So, jetzt aufstehen und beten!«
    Man könnte auch sagen: Das einzige übersinnliche Wesen, an das Menschen glauben, die mit der heimlichen Lektüre der verbotenen Bücher von Karl May aufwuchsen, ist der große Manitu.
Fremdeln
    Andersdenkende oder Andersgläubige überschreiten selten die Landesgrenzen. Da sind ein paar Vietnamesen, die aus DDR-Zeiten noch übrig geblieben sind. Einst hatte sie der sozialistische Staat als billige Arbeitskräfte geholt. Mittlerweile haben sie sich mit Asia-Läden selbstständig gemacht und tragen dazu bei, dass auf den Wochenmärkten noch etwas anderes angeboten wird als Bratwurst, Äpfel und Teltower Rübchen. Ihre Kinder machen die besten Schulabschlüsse im Land. Von ihrer Religion ist nichts bekannt. Überhaupt weiß man wenig über sie. Die berühmte preußische Toleranz äußert sich als nachbarschaftliche Gleichgültigkeit. Lutze von nebenan redet auch gern mal über die »fleißigen Fidschis«.
    Zuwanderer, die es heute ins Brandenburgische verschlägt und die nicht aus Süddeutschland kommen, hängen häufig dem islamischen Glauben an. Sie leben in Plattenbauten an Stadträndern oder in ausrangierten Kinderferienlagern im Wald wie im Asylbewerberheim Althüttendorf bei Joachimsthal. Dort haben die Flüchtlinge einen idyllischen See vor der Nase. In den nächsten Ort führt allerdings nur ein sechs Kilometer langer Waldweg. Sollte einer der Bewohner tatsächlich eine Arbeitserlaubnis ergattern, wird er dennoch keiner Arbeit nachgehen können. Er kommt aus dem abgelegenen Camp nicht weg. Dabei hatte schon der Große Kurfürst als Voraussetzung zur Integration das Arbeiten gefordert. Wer fünf Jahre in seinem Kurfürstentum gearbeitet habe, so der Regent, sei Brandenburger. Die Bewohner Althüttendorfs sind schon froh, wenn sie die Pfarrerin aus Joachimsthal zu Gesicht bekommen. Die engagierte Frau fährt mit ihrem »Barkas« (Kleinbus) in den Wald, um die von der Welt abgeschnittene Gruppe zu Gottesdiensten und Gemeindefesten zu bringen, vor allem aber zum Einkaufen und zum Arzt. Ansonsten sitzt die knapp der Beschneidung entgangene Somalierin oder die vor den Todesdrohungen islamistischer Fundamentalisten geflüchtete Afghanin befremdet im Doppelstock-Mehrbettzimmer eines Bungalows aus Pressspanplatte, in dem vor zwanzig Jahren kleine Sozialisten großgezogen worden waren.
Wo soll’n die sein? – Hier? Nee.
    An dieser Stelle ist ein Wort zu den Brandenburger Glatzen angebracht, jenen Männern also, die – zurückgeblieben am mütterlichen Herd – sich mit einer Ganzkörperrasur gewaltbereit machen. Mir ist, seit ich in Brandenburg lebe, noch nie ein Neonazi begegnet. Nun habe ich entweder riesiges Glück gehabt oder nicht den richtigen Blick. Den meisten Brandenburgern scheint es ähnlich zu gehen. Fragt man Leute auf der Straße, wie es mit dem Naziaufkommen aussieht, hört man: »Sind die nicht alle in Meck-Pomm?« Manchmal werden Gespräche mit Fremden gleich so eröffnet: »Sie sind Journalistin? Also Rechte gibt’s hier nicht. Früher ja. Aber heute … Nee. Die sind woanders.« Die Leute in Meck-Pomm oder in Sachsen sagen genau das Gleiche; die Neonazis sind immer gerade nicht dort, wo man selber ist. Aber es gibt sie. Brandenburg liegt statistisch gesehen bei der Zahl rechtsradikaler Überfälle auf Platz drei, hinter Sachsen und Berlin. Bekannt ist auch, dass sich Menschen mit rasierten Schädeln und Springerstiefeln gern im Dunst des Militärischen aufhalten, und davon gibt es, wie Sie nun wissen, in Brandenburg jede Menge.
    In den

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