Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Händchen.
Jeder nach seiner Fasson
Toleranz ist eine der schönsten preußischen Traditionen, aber schwierig zu üben. Friedrich II. gewährte allen Einwanderern absolute Religionsfreiheit. Jeder solle nach seiner »façon« selig werden, ließ er 1740 in seiner berühmten Randbemerkung zur Religion verlauten. Das sagte der kluge König nicht ausschließlich aus purer Menschenliebe. Er sagte das auch mit Blick auf die Neuankömmlinge, die das trockengelegte Oderbruch besiedeln sollten. »Ich bin ein König, ich brauche Untertanen« war die pragmatische Maxime hinter seiner Toleranz. Sie machte Brandenburg für kurze Zeit zum vielsprachigen Migrationsland.
Neben den ursprünglichen Wendendörfern an der Oder wurden Kolonistendörfer gegründet. Mehr als eintausend Familien aus allen Himmelsrichtungen ließ Friedrich II. im Oderbruch ansiedeln. Als ihm keine Namen für die Neugründungen mehr einfielen, setzte er einfach die Vorsilbe »Neu« vor die alten Dorfnamen. Eine »Kommission zur Herbeischaffung von Kolonisten« kümmerte sich um die Besiedelung. In Neu-Lewin beispielsweise wurden Polen und Mähren angesiedelt, was den einen oder anderen brandenburgischen Glatzkopf daran erinnern sollte, dass das, was er da so schön freirasiert hat, ein urslawischer Schädel ist. In Neu-Barnim richteten sich Pfälzer, Schwaben, Hessen, Braunschweiger und Niedersachsen ein. An dieser national orientierten Trennung der Leute zeigt sich, dass Ghettobildung kein Phänomen moderner Einwanderungsgesellschaften ist. Jahrhunderte übergreifend blieben die Probleme ähnlich. Auch die Suche nach fleißigen und arbeitsamen Ausländern unterscheidet sich dem Prinzip nach nicht von der heutigen Suche nach ausländischen Fachkräften. Damals galten Slawen und Mähren als tatkräftig, Holländer als handwerklich geschickt und Schweizer als mittellos. Sie übernahmen die Rolle der Tagelöhner und Gesellen. Da die Neusiedler die Region mit den fruchtbarsten Böden erwischt hatten, wurden bald alle gemeinsam reich, was den Assimilationsprozess beschleunigte. Die Koslowskis, die Matuseks, die Frankes und Berkhoffs wurden echte Brandenburger und benahmen sich so, wie sich Neureiche im Allgemeinen auch heute noch zu benehmen pflegen. »Krasser Luxus und das völlig mangelnde Verständnis für das, was wohltut und gefällt, laufen nebeneinander her. … Einzelnen, für schweres Geld erstandenen Glanz- und Prachtstücken wird die Pflicht des Repräsentierens auferlegt; die Personen aber entschlagen sich desselben. Denn es ist unbequem«, schreibt ein Zeitgenosse Friedrich des II.
Die lockere, überkonfessionelle Haltung des Preußenkönigs bezog sich übrigens auf alle Glaubensrichtungen mit Ausnahme des Judentums. Juden mussten Leibzölle zahlen, eine Regel, die gewöhnlich fürs Vieh galt. Und sie mussten kaputtes Porzellan kaufen. Dieser exzentrische Einfall nannte sich Porcellainexportationszwang. Er verknüpfte Profitdenken mit Diskriminierung. Der Porcellainexportationszwang verpflichtete jeden, der ein Haus erwerben oder Kaufmann werden wollte, minderwertiges Porzellan aus der Königlichen Porzellanmanufaktur für eine Summe von mehreren Jahresgehältern zu kaufen und ins Ausland zu exportieren. Lutheraner, Reformierte Protestanten und Katholiken unterlagen diesem Zwang nicht. Sie hatten im aufgeklärten Absolutismus des friderizianischen Preußens gleiche Rechte. Die jüdischen Mitbürger stürzten diese Unmengen an beschädigtem Porzellan zuweilen in den Ruin, bevor sie überhaupt mit dem Hausbau begonnen hatten.
Von Religionsfreiheit zur Energieautarkie
Ein Beispiel preußischer Religionsfreiheit ist Prenzlau am Uckersee. Das Zentrum der Uckermark kann sich damit rühmen, neben seinen vier mittelalterlichen Kirchen, darunter die berühmte St. Marien-Kirche, und einem Büßerinnenkloster der Magdalenen im 18. Jahrhundert auch die größte reformierte französische Gemeinde beherbergt zu haben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Uckermark, in der niemand mehr lebte, im Toleranzedikt des Großen Kurfürsten (Friedrich Wilhelm) von 1685 den Hugenotten zugewiesen. In der Uckermark sprach man fortan Französisch. Das verleiht dieser Gegend noch heute eine etwas preziöse und gelockerte Atmosphäre. Leider reichte der französische Einfluss nicht, um die örtliche Küche zu verbessern oder eine Weinkultur zu etablieren. Einzig mit dem Anbau von Tabak führten die französischen Einwanderer eine gewisse Exotik ins
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